Dat Mönsterlänner Platt – Wörterbuch
“Dat Mönsterlänner Platt” – so heißt unser Projekt. Es soll die Grundlagen für den dauerhaften Erhalt unseres Münsterländer Platt schaffen.
Im Jahr 2007 veröffentlichten meine Frau Rita und ich im Rahmen dieses Projektes das Buch „Dat Mönsterlänner Platt – Lehrbuch“[1].
Inzwischen ist es etabliert und zu einem Standardwerk unseres Münsterländer Platt geworden. In vielen Orten des Münsterlandes wurden und werden mit diesem Lehrbuch Sprachkurse abgehalten; viele Interessenten haben –teilweise auch im Selbststudium- vorhandene Grundkenntnisse systematisch erweitert und zu vollwertigen Sprachkenntnissen ausgebaut. Selbst von vollständigem Spracherwerb im Selbststudium ohne jegliche Vorkenntnisse wurde uns berichtet.
Neben einem Lehrbuch ist aber auch ein Wörterbuch erforderlich.
Schon bei der Veröffentlichung des Lehrbuches wurden wir darauf angesprochen, auch ein Wörterbuch zu schreiben, gewissermaßen als Ergänzung zum Lehrbuch. Dies schien uns damals jedoch nicht notwendig zu sein, da das Lehrbuch ein vollständiges Verzeichnis aller enthaltenen Wörter enthält und daher ohne zusätzliches Wörterbuch bearbeitet werden kann.
Mit den Jahren hat sich unsere Meinung jedoch geändert.
Seit den 1990er Jahren ist im Kern-Münsterland (d.h. ohne Westmünsterland) kein Wörterbuch mehr im Handel, das in der allgemein üblichen Wibbelt-ähnlichen (= dicht am Hochdeutschen angelehnten und daher besonders leicht les- und lernbaren) Schreibweise geschrieben ist. Und ein Wörterbuch, das die sprachliche Vielfalt des Kern-Münsterländer Platt darstellt, hatte es bislang überhaupt noch nicht gegeben.
Diese sprachliche Vielfalt aber ist für viele Münsterländer geradezu ein Teil ihrer volkstümlichen Identität. Die Meinung ist weit verbreitet, dass sich Plattdeutsch im Münsterland “vön Duorp to Duorp” stark unterscheidet. In Wirklichkeit sind diese Unterschiede zwar oft eher klein, werden aber trotzdem von den Münsterländern sehr ernst genommen und sollten daher in einem Wörterbuch des Münsterländer Platt unbedingt dargestellt werden.
Kurzum: der Wunsch nach einem einfachen, soliden Wörterbuch war vorhanden; es sollte Wibbelt-ähnlich geschrieben sein und die vielen Ortsvarianten des Münsterländer Platt berücksichtigen.
Um das Jahr 2010 begannen wir, ernsthaft über die Realisierung eines solchen Wörterbuchprojektes nachzudenken.
Theoretisch wäre es das Richtigste gewesen, alle Sprachvarianten des Münsterlandes zu erfassen. Das aber hätte sowohl vom Erfassungsaufwand als auch vom Ergebnisvolumen her jeden Rahmen gesprengt. Das Einfachste wäre gewesen, nur eine Sprachvariante stellvertretend für das gesamte Münsterland in das Wörterbuch aufzunehmen.
An dieser Stelle kam der Gedanke auf, das von mir bereits fast fertig ausgearbeitete Wörterbuch des Riesenbecker Platt zugrunde zu legen. Diesen Gedanken verwarfen wir jedoch wieder. Riesenbeck lag, so unsere Meinung, zu weit am Rand des Münsterlandes, um als Grundlage für ein Münsterländer Wörterbuch sinnvoll zu sein.
Mehrere Jahre später (2014) gab es auf unsere Anregung hin eine Gesprächsrunde, in der über die mögliche Realisierung eines Wörterbuchprojektes gesprochen wurde. Dabei griff Prof. Dr. Hans Taubken die alte Idee mit dem Riesenbecker Wörterbuch wieder auf und verwies auf ein ähnlich gelagertes Projekt, an dem er mitgearbeitet hatte: das „Hümmlinger Wörterbuch“[2]. In gewisser Weise lag der Fall seinerzeit ähnlich: ein engagierter Plattdeutschfreund (Heinrich Book) hatte eine umfangreiche Wörtersammlung angelegt, die zur Grundlage für ein Regionalwörterbuch wurde.
In der Gesprächsrunde wurden auch alle möglichen sonstigen Aspekte eines Münsterländer Wörterbuches diskutiert. Dabei waren es insbesondere die Denkanstöße von Prof. Dr. Hans Taubken, und Dr. Markus Denkler, die letztlich zu der jetzigen Ausgestaltung des Wörterbuches geführt haben: es basiert auf dem Riesenbecker Platt, enthält aber zusätzlich die Ortsvarianten von Billerbeck, Füchtorf und Vorhelm. Die zwei Letztgenannten liegen im Bereich der Hiattilgung (z.B. sagt man dort statt saien, maihen, dreihen säggen, mäggen, dreggen), so dass diese wichtige sprachliche Besonderheit im Wörterbuch enthalten ist.
Ein spaltenförmiger Aufbau des Wörterbuches (die Ortsvarianten werden dabei in Spalten nebeneinander dargestellt), so wie er aus dem „Wörterbuch westfälischer Mundarten“[3] von Heinrich Gehle bekannt ist, wurde allgemein abgelehnt. Auf abweichende Ortsvarianten wird vielmehr im Vokabeltext hingewiesen, abweichende Wörter werden als eigene Vokabeln unter Angabe des Gewährsortes im Wörterbuch aufgeführt.
Die Gesprächsrunde regte abschließend an, das Wörterbuch zweiteilig anzulegen: Plattdeutsch – Hochdeutsch sowie Hochdeutsch – Plattdeutsch.
Dieses Wörterbuch liegt nun vor.
Ein Wörterbuch der Münsterländischen Mundart, wie sie im Wesentlichen in den Kreisen Steinfurt, Coesfeld, Münster, Warendorf und teilweise in den Kreisen Borken und Gütersloh gesprochen wird. Kurz: ein Wörterbuch des Kern-Münsterlandes.
“Dat Mönsterlänner Platt – Wörterbuch” ergänzt und erweitert “Dat Mönsterlänner Platt – Lehrbuch” und ist ein zusätzlicher gewichtiger Schlüssel zum Münsterländer Platt, insbesondere auch zur Literatur und zu den Autoren. Es will den Zugang zur Sprache und das Erlernen des Platt ermöglichen und erleichtern – und auf diesem Weg will es zum dauerhaften Erhalt unseres Platt beitragen.
In diesem Wörterbuch steht im Wesentlichen das Plattdeutsch, wie es um die Jahrtausendwende gesprochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits vielfach hochdeutsche Einflüsse, die sich auch in diesem Wörterbuch niedergeschlagen haben.
Um die Sprachvarianten hinreichend genau darzustellen, wurde konzeptionell festgelegt, dass beispielhaft der Wortschatz jeweils eines Ortes aus dem Norden, Westen, Süden und Osten des Münsterlandes in das Wörterbuch aufgenommen werden sollte. Nicht zuletzt mit Blick auf geeignete Gewährsleute fiel die Wahl dabei auf die Orte Billerbeck (Westen), Vorhelm (Süden) und Füchtorf (Osten).
Die Auswahl der Gewährsorte stellt gleichzeitig klar, dass der Begriff “Münsterländer Platt” in diesem Wörterbuch geographisch und nicht etwa im sprachwissenschaftlichen Sinne zu verstehen ist.
Der vierte Ort, und dieser Ort macht dieses Wörterbuch zu etwas ganz Besonderem, ist der Ort im Norden: Riesenbeck. Das Riesenbecker Platt an sich ist natürlich nichts Außergewöhnliches – und doch! – es ist sehr wohl etwas Außergewöhnliches.
Es hat einen Sonderstatus insofern, als es in der germanistischen Fachbuchreihe “Phonai”[4] im ersten “Monographien”-Band (Band 6) als Transkription einer Tonaufzeichnung des Deutschen Spracharchivs in Mannheim enthalten ist. Die Tonaufnahme wurde 1959 in Riesenbeck-Birgte auf dem Hof Wegmann aufgezeichnet, keinen Kilometer von unserem Wohnhaus entfernt. Der Sprecher war August Wegmann (geb. 1886, in der Birgter Bevölkerung “Weggm’s Lährer” genannt); er war lange Jahre Rektor der Domknabenschule in Münster.
Der Max-Niemeyer-Verlag hat ab 1969 insgesamt 21 Monographien-Bände herausgegeben, in denen über 30 Mundartvarianten vorgestellt werden. Neben dem Riesenbecker Platt kommen allerdings fast gar keine anderen Plattdeutsch-Varianten vor – wer sich also mit plattdeutschen Tondokumenten und den vorliegenden Transkriptionen befasst, der muss sich fast zwangsläufig mit dem Riesenbecker Platt befassen.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob tatsächlich anhand von vier Orten aus dem Norden, Osten, Süden und Westen das gesamte Münsterländer Platt erfasst werden kann oder ob die sprachliche Vielfalt innerhalb des Münsterlandes nicht doch zu groß ist.
Ein Vergleich literarischer Texte aus verschiedenen Regionen des Münsterlandes ergab, dass der größte Unterschied zwischen Riesenbeck und Vorhelm bestand; der Text aus Vorhelm stimmte zu immerhin noch 92 % mit dem Riesenbecker Platt überein. Alle anderen Texte erzielten größere Übereinstimmungen mit dem Riesenbecker Platt, so dass gesagt werden kann: festgestellte sprachliche Unterschiede von maximal 8 % sind markant, aber nicht so gravierend, dass man sie nicht in einem gemeinsamen Wörterbuch darstellen könnte. Der maximale Unterschied zwischen Riesenbeck und Vorhelm war im Übrigen zu erwarten, weil zwischen diesen Orten auch die größte räumliche Entfernung der verglichenen Orte besteht und Vorhelm im Bereich der Hiattilgung liegt, Riesenbeck aber nicht.
Das Münsterländer Platt ist, wie gezeigt, trotz aller Unterschiede weitgehend gleich. Sprecher aus allen Teilen des Münsterlandes können sich schließlich auch völlig problemlos auf Plattdeutsch miteinander unterhalten. Dennoch sind die Unterschiede so deutlich, dass sie es wert sind, im Wörterbuch separat hervorgehoben zu werden.
Vor diesen Überlegungen entstand das letztlich realisierte Konzept dieses Wörterbuches: aus meinem Wörterbuch des Riesenbecker Platt wurden gut 10.000 Wörter als Sprachvariante Riesenbeck (Nord) ausgewählt. Viele dieser Wörter sind nicht nur einfach übersetzt worden, sondern sie sind durch Sprachbeispiele, Redensarten etc. ergänzt. Die darin enthaltenen Wörter wurden ebenfalls in das Wörterbuch aufgenommen. Dieses Grundgerüst des neuen Wörterbuches wurde von den Gewährsleuten bearbeitetet und um lokale Abweichungen ergänzt. Oft ergaben sich neue Wörter (z.B. lokal abweichende Begriffe); diese wurden als eigenständige neue Wörter in das Wörterbuch aufgenommen.
Das erste Zwischenergebnis war ein erheblich erweitertes Wörterbuch.
Dieses erweiterte Wörterbuch wurde erneut von den Gewährsleuten bearbeitet. Sie konnten die bereits eingetragenen Erweiterungen sehen und überprüfen – und manchem fiel dabei wiederum etwas Neues ein. Als auch diese Ergänzungen eingepflegt waren, war das Wörterbuch auf über 14.000 Wörter angewachsen.
Es ist zu einem ganz besonderen Wörterbuch geworden, das meiner Meinung nach die sprachliche Vielfalt des Kern-Münsterlandes anhand der vier exemplarisch ausgewählten Ortsvarianten hinreichend genau darstellt.
“Hinreichend genau” bedeutet aber auch das Akzeptieren von Unschärfen, Ungenauigkeiten und Lücken. Dieses Wörterbuch kann und will weder vollständig sein noch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Die Gewährsleute
Die Gewährsleute von links nach rechts: Günter Kröger, Josef Vasthoff, Rudolf Averbeck, Rita Averbeck, Richard Schmieding, Robert Hüchtker
Wir sind froh, dass wir so versierte Fachleute des Münsterländer Platt für dieses Projekt gewinnen konnten: Günter Kröger, Josef Vasthoff, Richard Schmieding, und Robert Hüchtker – wirklich klangvolle Namen, hinter denen „stäödige Mönsterlänner“ von echtem Schrot und Korn stehen, Männer, die seit vielen Jahren mit viel Sachverstand und Herzblut für unser Platt tätig sind.
[1] Dat Mönsterlänner Platt – Lehrbuch, Rita und Rudolf Averbeck, Hörstel: Gutverlag, 2007
[2] Hümmlinger Wörterbuch, Heinrich Book und Hans Taubken, Sögel: Verlag des Emsländischen Heimatbundes, 1993
[3] Wörterbuch westfälischer Mundarten Hochdeutsch – Plattdeutsch, Heinrich Gehle, Münster: Verlag Westfälischer Heimatbund, 1977
[4] Phonai – Lautbibliothek der europäischen Sprachen und Mundarten – Deutsche Reihe, herausgegeben vom Deutschen Spracharchiv – Band 6 – Monographien 1, Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1970
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