Literarische Texte – ProsaEnglischk lärn

Englischk lärn [ -een Trauma ] 

Englisch lernen [ – ein Trauma]

„Sagebuck no’ maol, dat wäör ’n Schlagg“, flockde Frank un dreihde verwünnert denn Kopp. Sien Auto lagg guet füfftig Meter wieder wegg up ’t Felde, un, ach ja, dat wäör emm baole gar nich upfallen: et lagg up ’t Dack, mit dreihende Riäder. Dat säög so afsonnerlick ut, dat he sick ’n Gneesen nich verkniepen konn. Eegentlick wäör he heel eegen mit sien Auto, eegentlick droff nicks, aower auk gar nicks an sien Auto kuemmen, aower düttmaol, düttmaol wäör up wünnerlicke Wiese alles änners äs süss.

„Donnerwetter noch mal, [Sägebock noch mal], das war ein Schlag“, fluchte Frank und drehte verwundert den Kopf. Sein Auto lag gut fünfzig Meter weiter [weg] auf dem Feld, und, ach ja, das war ihm fast gar nicht aufgefallen: es lag auf dem Dach, mit drehenden Rädern. Das sah so absonderlich aus, dass er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Eigentlich war er sehr eigen [pingelig] mit seinem Auto, eigentlich durfte nichts, aber auch gar nichts an sein Auto kommen [sein Auto durfte nicht beschädigt werden], aber dieses Mal, dieses Mal war auf wunderliche Weise alles anders als sonst.

Ganz naige bi emm wäör eener an ’t Schreien, unangeniëhm laut, unangeniëhm dicht bi. Well dao an ’t Schreien wäör, dat konn he nich seihn. He woll jüst naokieken, dao miärkede he up maol, dat he söwwes dat wäör, well dao an ’t Schreien wäör, un he tuckede vör Schreck bi’neener. Dunnerschlagg no’maol – emm dää doch gar nicks weh?! He woll faorts uphäörn mit dat Schreien. Aower et duerde wat, bis dat Schreien naolöt.

Ganz nahe bei ihm war jemand am Schreien, unangenehm laut, unangenehm dicht bei [ihm]. Wer da am Schreien war, das konnte er nicht sehen. Er wollte gerade nachsehen, da bemerkte er auf einmal, dass er selbst das war, der da am Schreien war, und er zuckte vor Schreck zusammen. Donnerschlag-nochmal – ihm tat doch gar nichts weh?! Er wollte sofort aufhören mit dem Schreien. Aber es dauerte etwas [eine Weile], bis das Schreien nachließ.

Alles wäör änners, änners äs alles, wat he kannde.

Alles war anders, anders als alles, was er kannte.

Wieder ächten, up de Straote, quietschkeden Bremsen. Twee Lüe stüört’en ut iähr Auto, eener mit Handy an ’t Aohr.

Weiter hinten, auf der Straße, quietschten Bremsen. Zwei Leute stürzten aus ihrem Auto, einer mit Handy am Ohr.

Dat sachte Sissen in Franks Kopp wöss sick ut to een krieschkendet Schräpeln. Emm würd eegenartig temode. Eegenartig, aower nich benaude. „Gott sie Dank“, aomde he deip düör, „mi feihlt nicks.“ Un schlaggartig würd emm schwinnelig un auk ’n lück bedaomelt.

Das leichte Sirren in Franks Kopf wuchs sich zu einem kreischenden Schrillen aus. Ihm wurde eigenartig zumute. Eigenartig, aber nicht beklommen. „Gott sei Dank“, atmete er tief durch, „mir fehlt nichts.“ Und schlagartig wurde ihm schwindelig und auch ein wenig benommen.

„Ach du Scheiße“, flüög et denn eenen rut. De ännere bleef staohn äs anwuordelt, tröck kriedewitt af un dreihede sick wegg. Sien Handy biëwede.

„Ach du Scheiße“, flog es dem einen heraus. Der andere blieb wie angewurzelt stehen, wurde kreidebleich [zog kreideweiß ab] und wendete sich ab. Sein Handy bebte.

Frank steeg de Wiärmte in ’n Balge up. Mähr äs Wiärmte. Emm würd heet. So heet, dat he sick stüehnen häörde.

Frank stieg die Wärme im Körper auf. Mehr als Wärme. Ihm wurde heiß. So heiß, dass er sich stöhnen hörte.

„Steh da nich so blöd rum, den Verbandskasten, schnell, unterm Fahrersitz!“ bölkede emm eener direkt in ’t Aohr. Frank woll emm denn Kopp todreihen. Aower to siene Verwünnerung gönk dat nich. Et gönk nich. Wu he sick auk anstrengde.

„Steh da nich so blöd rum, den Verbandskasten, schnell, unterm Fahrersitz!“ schrie ihm jemand direkt ins Ohr. Frank wollte ihm den Kopf zudrehen. Aber zu seiner Verwunderung ging das nicht. Es ging nicht. So sehr [wie] er sich auch anstrengte.

Direkt vör sien Gesicht stellde eener siene grauten Schohe hen, toäöst vön buom bis unnen mit schmiärige Ärdkluten. Dann Augen. Drieste dicht vör siene eegenen.

Direkt vor seinem Gesicht stellte jemand seine großen Schuhe hin, zugesaut von oben bis unten mit schmierigen Erdklumpen. Dann Augen. Dreist dicht vor seinen eigenen.

„Hallo? Können Sie mich hören?“ froggden de Augen viëlste laut.

„Hallo? Können Sie mich hören?“ fragten die Augen viel zu laut.

Tatütata. Wieder wegg. Würd aower lauter.

Tatütata. Weiter entfernt [weg]. Wurde aber lauter.

„Die Druckverbände! Schneller! Haben wir noch mehr?“

„Die Druckverbände! Schneller! Haben wir noch mehr?“

Blaulecht. Ut ’n Augenwinkel. Wat giff ’t dann nu? Auk noch Polzei? Auk noch Füerwiähr? Wat ’n Gedrüs! Mi feihlt doch nicks! Deibelno’maol! Mi dött doch nicks weh!

Blaulicht. Aus dem Augenwinkel. Was gibt‘s denn jetzt? Auch noch Polizei? Auch noch Feuerwehr? Was für ein Aufruhr! Mir fehlt doch nichts! Deibel noch mal! Mir tut doch nichts weh!

Üm sien Auto, daorüm kümmerde sick natürlick nicheener. De Riäder dreiheden sick all lange nich men.

Um sein Auto, darum kümmerte sich natürlich keiner. Die Räder drehten sich schon lange nicht mehr.

Un warm wäör et Frank up maol auk nich men. In ’t Kiëgendeel. Emm würd kaolt. Kaolt un köller. Immer köller. He häörde siene Tiähne rittkebiëben. Alles wäör nu änners. Änners äs süss. Ganz änners äs alles, wat he kannde.

Und warm war es Frank auf einmal auch nicht mehr. Im Gegenteil. Ihm wurde kalt. Kalt und kälter. Immer kälter. Er hörte seine Zähne klappern. Alles war jetzt anders. Anders als sonst. Ganz anders als alles, was er kannte.

„Hallo? Wie geht es Ihnen?“

„Hallo? Wie geht es Ihnen?“

Dat Gesicht vön eenen jungen Rautkrüßler bümmelde vör Franks Gesicht hen un hiär. Ganz naige.

Das Gesicht eines jungen Rotkreuzlers baumelte vor Franks Gesicht hin und her. Ganz nah.

„Guet. Mi feihlt nicks, mi is bloß ‘n biëtken kaolt.“ siä Frank. Woll he säggen. Siä he aower nich. He konn gar nicks säggen. Nich een Waort. „Nu is ’t aower guet“, dachde he. He woll sick uprischken. Aower auk dat gönk nich. Auk dat nich. He schlüöt de Augen. Konzentreerde sick. .

„Gut. Mir fehlt nichts, mir ist nur ein bisschen kalt.“ sagte Frank. Wollte er sagen. Sagte er aber nicht. Er konnte gar nichts sagen. Nicht ein Wort. „Jetzt reicht es aber [Jetzt ist es aber gut]“, dachte er. Er wollte sich aufrichten. Aber auch das ging nicht. Auch das nicht. Er schloss die Augen. Konzentrierte sich.

Et bleef debie. Emm dää nicks weh. Aower weggen, weggen konn he sick nich. Un kaolt wäör emm. Gneesig kaolt.

Es blieb dabei. Ihm tat nichts weh. Aber bewegen, bewegen konnte er sich nicht. Und kalt war ihm. Rattenkalt [grinsend kalt].

Eener tröck emm dat Augenlitt hauch. Löchtede emm in ’t Gesicht. Direkt in ’t Auge. So ‘n Dämlack.

Jemand zog ihm das Augenlid hoch. Leuchtete ihm ins Gesicht. Direkt ins Auge. So ein Doofmann.

Wieder ächten all wier Tatütata. Ganze Straote vull, vull mit Autos. Füerwiährlüe, üöwerall. Spannden een graudet Dook up. Rundümto. De Straote, de Straote un wieder ächten de Hüser, de Hüser un de Kiärke, de konn Frank nu nich men seihn, nich men.

Weiter hinten schon wieder Tatütata. Ganze Straße voll, voll mit Autos. Feuerwehrleute, überall. Spannten ein großes Tuch auf. Rundherum. Die Straße, die Straße und weiter hinten die Häuser, die Häuser und die Kirche, die konnte Frank jetzt nicht mehr sehen, nicht mehr.

„Kompressen, noch ein paar Kompressen!“ üöwerschlög sick eene hibbeligge Fraulüestimme.

„Kompressen, noch ein paar Kompressen!“ überschlug sich eine hektische Frauenstimme.

De Straote: wegg. Wegg. Nu: Schwatte Döker. Döker.

Die Straße: weg. Weg. Jetzt: Schwarze Tücher. Tücher.

Een Gesicht, vön eene Frau, wier viëlstenaige. „Hallo? Hören Sie mich überhaupt?“

Ein Gesicht, von einer Frau, wieder viel zu nahe. „Hallo? Hören Sie mich überhaupt?“

Schwatte Döker. Schwatte.    Schwa-   Schwat–   te.

Schwarze Tücher. Schwarze.    Schwa- – Schwar- – -ze.

End – lick. Endlick.

End – lich. Endlich.

Dat ganze Gedrüs. Dat ganze Gedrüs würd  – weiniger, schlöp in, ganz sachte, schlöp wegg. Frank follde, wu de biëwerige Külde naolöt, ganz sachte. Auk dat Schräpeln in sienen Kopp würd weiniger un weiniger un wäör up maol wegg. Weiniger, alles würd weiniger, alles schlöp wegg.

Der ganze Aufruhr. Der ganze Aufruhr wurde – weniger, schlief ein, ganz sanft, schlief weg. Frank fühlte, wie die zitternde Kälte nachließ, ganz sachte. Auch das Schrillen in seinem Kopf wurde weniger und weniger und war auf einmal weg. Weniger, alles wurde weniger, alles schlief weg.

End-lick Ru-he. Endlick.

End – lich Ru – he. Endlich.

Hallo? Haaallo?”

“Hallo? Haaallo?”

Dat Frommenschk klöppkede emm in ’t Gesicht rüm. Dämlicket Wief. Soll emm in Ruhe laoten.

Das Frauenzimmer patschte ihm im Gesicht herum. Dämliches Weib. Sollte ihn in Ruhe lassen.

„Haaallo! Durch – hal – ten! Sie müssen…“

„Haaallo! Durch – hal – ten! Sie müssen…“

Sabbeln laoten, eenfack sabbeln laoten.

Quasseln lassen, einfach quasseln lassen.

Düör sienen kaolen Balg tröck Wiärmte, angeniëhme Wiärmte. Dat Tatütata wäör wegg, wiet wegg un häörde sick, wenn he et sick recht bedachde, auk ähr an äs Mussik, wiet, wiet wegg. Schnack vör sien Gesicht schuckelde een Beld sachte, ganz sachte vön eene Siete nao de ännere, een Beld mit dat Gesicht vön eene Frau. Kleine, runde Brillengliäser mit iesgriese Augen. Un mit stiäkenden Blick, well sick in siene Augen buohrde, timmerde. Mit Intresse. Professionellet Intresse. Vlicht auk ’n biëtken –   Mitgeföhl?

Durch seinen kalten Körper zog Wärme, angenehme Wärme. Das Tatütata war weg, weit weg und hörte sich, wenn er es sich recht bedachte, auch eher an wie Musik, weit, weit weg. Direkt vor seinem Gesicht schaukelte ein Bild langsam, ganz langsam von einer Seite zur anderen, ein Bild mit einem Frauengesicht. Kleine, runde Brillengläser mit eisgrauen Augen. Und mit stechendem Blick, der sich in seine Augen bohrte, zimmerte. Mit Interesse. Professionellem Interesse. Vielleicht auch ein wenig –   Mitgefühl?

„hal – ten! Haaa – loooo! Durch – hal – ten!“

„hal – ten! Haaa – loooo! Durch – hal – ten!“

Frank kannde düssen Blick, genau düssen Blick hadde he all maol seihn, vör iëlke, iëlke Jaohren. Professionellet Intresse. Vlicht auk ’n biëtken Mitgeföhl. Een Blick, well emm düör un düör gaohn wäör. So eenen Blick vergett man nich.

Frank kannte diesen Blick, genau diesen Blick hatte er schon einmal gesehen, vor vielen, vielen Jahren. Professionelles Interesse. Vielleicht auch ein wenig Mitgefühl. Ein Blick, der ihm durch und durch gegangen war. So einen Blick vergisst man nicht.

Un dann tuckede Frank bi‘neener, he wäör up maol mit eenen Schlagg wacke, hellwacke. „Schluss in Doon mit dat ganze dumme Wiärks hier!“ röp he dat ganze Volk rundümto to, rischkede sick up, kloppede sick de Kluten vön ‘t Tüg  un sprüng mit eenen Satz up de Beene.

Und dann zuckte Frank zusammen, er war auf einmal mit einem Schlag wach, hellwach. „Schluss [im Tun] mit diesem ganzen dummen Kram hier!“ rief er dem ganzen Volk rundherum zu, richtete sich auf, klopfte sich die [Erd]klumpen von der Kleidung und sprang mit einem Satz auf die Beine.

Un he stönd, ohne dat he sick auk bloß in ’t Geringste wünnerde, ‘n lück stökerig mitten in siene olle Schole, in siene olle Klasse. Jaohre trügge, iëlke, iëlke Jaohre trügge. Nich in de höggere Schole mit dat verdeubelte Latien all in ’e Sexta. Näi, in de Realschole, wao he henkuemmen wäör, äs he mitten in ’e Untertertia vön ’e höggere Schole weggmosst hadde. Mitten in ’t Scholjaohr. Mitten in ’n Winter. Trüggesett’, een Jaohr trüggesett’. Trüggesett’ vön ’e Untertertia in de siëmte Klasse up Realschole.

Und er stand, ohne dass er sich auch nur im Geringsten wunderte, ein wenig staksig mitten in seiner alten Schule, in seiner alten Klasse. Vor Jahren, vor vielen, vielen Jahren [Jahre zurück, etliche, etliche Jahre zurück]. Nicht in der höheren Schule mit dem verdammten [verteufelten] Latein schon in der Sexta. Nein, in der Realschule, wo er hingekommen war, als er mitten in der Untertertia von der höheren Schule weggemusst hatte.  Mitten im Schuljahr. Mitten im Winter. Zurückgesetzt, ein Jahr zurückgesetzt. Zurückgesetzt von der Untertertia in die siebte Klasse auf der Realschule.

Vör emm satt de Englischklährer, up de Kante vön ’t Lährerpult, eene Hand in ’e Bucksentaschke, un keek emm vön buom dale an. Ut iesgriese Augen düör kleine, runde Brillengliäser. Mit genau düssen stiäkenden Blick, well sick in siene Augen buohrde, timmerde. Genau dat wäör de Blick, well Frank so düör un düör gaohn wäör. Professionellet Intresse. Vlicht auk Mitgeföhl, weinigstens ’n biëtken. Up jeden Fall ’n intressanten Fall. Oltspraoklick. So hedde dat daomoss, wenn man mit Latien anfönk in de Sexta.

Vor ihm saß der Englischlehrer, auf der Kante des Lehrerpults, eine Hand in der Hosentasche, und schaute ihn von oben herab an. Aus eisgrauen Augen durch kleine, runde Brillengläser. Mit genau diesem stechenden Blick, der sich in seine Augen bohrte, zimmerte. Genau das war der Blick, der Frank so durch und durch gegangen war. Professionelles Interesse. Vielleicht auch Mitgefühl, wenigstens ein bisschen. Auf jeden Fall ein interessanter Fall. Altsprachlich. So hieß das damals, wenn man mit Latein anfing in der Sexta.

So äs Frank. Sexta. Quinta. Quarta. Untertertia. Englischk iärst af Quarta. Wäör aower utfallen. Een Jaohr lang. Lährermangel. Kinn Englischk in de Quarta. Englischk iärst af Untertertia. Jüst maol ’n half Jaohr, bis mitten in ‘n Winter. Mähr nich, dat wäör alles.

So wie Frank. Sexta. Quinta. Quarta. Untertertia. Englisch erst ab Quarta. War aber ausgefallen. Ein Jahr lang. Lehrermangel. Kein Englisch in der Quarta. Englisch erst ab Untertertia. Gerade mal ein halbes Jahr, bis mitten im Winter. Mehr nicht, das war alles.

Un de ännern? Twee’nhalf Jaohr. Klasse fief. Klasse sess. Halwe Klasse siëm. Twee’nhalf Jaohr. Fiefmaol so lange. Fiefmaol!

Und die anderen? Zweieinhalb Jahre. Klasse fünf. Klasse sechs. Halbe Klasse sieben. Zweieinhalb Jahre. Fünfmal so lange. Fünfmal!

Noch ’n Jaohr wieder trüggesetten gönk nich.

Noch ein [weiteres] Jahr zurücksetzen ging nicht.

Frank satt in ‘e Falle mit siene diärteihn Jaohre. Ohne Utwegg.

Frank saß in der Falle mit seinen dreizehn Jahren. Ohne Ausweg.

Lesste Wiäke: de iärste Englischkstunne. Kaum een Waort. Frank verstönd kaum een Waort.

Letzte Woche: die erste Englischstunde. Kaum ein Wort. Frank verstand kaum ein Wort.

„Naohilfe? Kümmp nich in Fraoge! Waovön süellt wi dat betahlen?“ För siene Moher wäör dat ganz eenfack. „Seih to, dat du trechtekümmps. Süss geihs du iäm up ’n Bau. Dao verdenns ‘e weinigstens wenne eegen Geld.“

„Nachhilfe? Kommt nicht in Frage! Wovon sollen wir das bezahlen?“ Für seine Mutter war das ganz einfach. „Sieh zu, dass du zurechtkommst. Sonst gehst du eben auf den Bau. Da verdienst du wenigstens bald eigenes Geld.

Ohne Englischk kinn Scholafschluss. Kinne Lähre. Hilfsarbeider. Ohne Englischk.

Ohne Englisch kein Schulabschluss. Keine Lehre. Hilfsarbeiter. Ohne Englisch.

„ter-at-men! Wei-ter-at-“

„ter-at-men! Wei-ter-at-“

„ta…. Wai-ta-at? Up ’n Bau?“ De störden Frank.

„ta…. Wai-ta-at? Auf den Bau?“ Die störten Frank.

Näi, nich up ’n Bau. Äs Hilfsarbeider. Up kinnen Fall. Kammp nich in Fraoge.

Nein, nicht auf den Bau. Als Hilfsarbeiter. Auf keinen Fall. Kam nicht in Frage.

Vlicht doch ‘n Utwegg, een eenzigen:  naolärn, twee Jaohre naolärn, twee Jaohre uphalen, ganz halleene, de Tiähne tesammenbieten un dedüör, denn Anschluss henkriegen, mit aller Gewolt.

Vielleicht doch ein Ausweg, ein einziger: nachlernen, zwei Jahre nachlernen, zwei Jahre aufholen, ganz alleine, die Zähne zusammenbeißen und dadurch, den Anschluss hinkriegen, mit aller Gewalt.

De Englischklährer hadde de Beene üöwerschlagen. Wippkede mit denn büöweren Fot. „Verstehst du überhaupt, was wir im Unterricht -men! At – men! At -reden?“

Der Englischlehrer hatte die Beine übereinandergeschlagen. Wippte mit dem oberen Fuß. „Verstehst du überhaupt, was wir im Unterricht -men! At -reden?

Frank keek ut ’t Fenster, nao buten. Dat nieëJaohr – viël Schnee. Alles witt. „Kaum ein Wort.“

Frank schaute aus dem Fenster, nach draußen. Das neue Jahr – viel Schnee. Alles weiß. „Kaum ein Wort.“

„Und – wie stellst du dir das vor?“ De Stimme affällig, ungedullig.

„Und – wie stellst du dir das vor?“ Die Stimme abfällig, ungeduldig.

Frank schlukede. „Ich lerne die Vokabeln, ab Klasse 5“ siä he, biëwerig kiëgen sienen Willen. „Und die Texte aus dem Lehrbuch, die übersetze ich. Wort für Wort.“

Frank schluckte. „Ich lerne die Vokabeln, ab Klasse 5“ sagte er, zittrig gegen seinen Willen. „Und die Texte aus dem Lehrbuch, die übersetze ich. Wort für Wort.“

De Lährer koppnickede, fröndlick-kaolt gneesend.

Der Lehrer nickte, freundlich kalt grinsend.

„Und ich lerne sie auswendig. Seite für Seite.“

„Und ich lerne sie auswendig. Seite für Seite.“

De beiden keeken sick an. Dat Gneesen wäör infruorn.

Die beiden schauten sich an. Das Grinsen war eingefroren.

Un dao wäör he, dao wäör he, düsse Blick, de Frank düör un düör gönk. Kleine, runde Brillengliäser mit iesgriese Augen drächter. Düsse stiäkende Blick, Intresse, professionellet Intresse. Un vlicht, vlicht auk ’n biëtken Mitgeföhl  – off weinigstens ‘n biëtken Verständnis.

Und da war er, da war er, dieser Blick, der Frank durch und durch ging. Kleine, runde Brillengläser mit eisgrauen Augen dahinter. Dieser stechende Blick, Interesse, professionelles Interesse. Und vielleicht, vielleicht auch ein bisschen Mitgefühl – oder wenigstens ein bisschen Verständnis.

Et duerde ’n Wielken, dann grämsterde de Lährer sick. De Fot wippkede nich men.

Es dauerte ein Weilchen, dann räusperte der Lehrer sich. Der Fuß wippte nicht mehr.

„Wenn du das durchhältst -“ He keek up denn witten Scholhoff un halde deip Luft. „Was heißt hier ‚wenn’? Du   m u s s t   durchhalten! Durch – haaal…teeeen!  – haaal – teeeen! Und ich helfe dir, wo ich kann. Hast du verstanden? Du musst sehr hart arbeiten!“ Nu gneesde he wier un greep nao siene Taschke.

„Wenn du das durchhältst – “ Er schaute auf den weißen Schulhof und holte tief Luft. „Was heißt hier ‚wenn‘? Du   m u s s t   durchhalten! Durch – haaal – teeeen! – haaal – teeeen! Und ich helfe dir, wo ich kann. Hast du verstanden? Du musst sehr hart arbeiten!“ Jetzt grinste er wieder und griff nach seiner Tasche.

Dat wäörn schöne Wäörder. Wull waohr. Würklick. Un de Lährer höllde würklick Waort. Immer wier gaff he Frank Teeken, wenn he wat verkläörde, wao Frank besonders uppassen soll.

Dat wäörn schöne Wäörder. Wull waohr. Würklick. Un de Lährer höllde würklick Waort. Immer wier gaff he Frank Teeken, wenn he wat verkläörde, wao Frank besonders uppassen soll.

Un doch – Wiäken later säög de Wiält för Frank schwatter ut äs jemaols vördem. He konn nu de Vokabeln, alle Vokabeln ut Klasse fief un sess. He kannde üöwer sesstig Sieten ut dat Scholbok. Utwennig. Aower würklick holpen hadde dat alles nicks. Gar nicks.

Und trotzdem. Wochen später sah die Welt für Frank schwärzer aus als je zuvor. Er konnte jetzt die Vokabeln, alle Vokabeln aus Klasse fünf und sechs. Er kannte über sechzig Seiten aus dem Lehrbuch. Auswendig. Aber wirklich geholfen hatte das alles nichts. Gar nichts.

De Klassenarbeiden kreeg he kliäterraut trügge.

Die Klassenarbeiten bekam er knallrot zurück.

Frank hadde dat Geföhl, dat he föll. Deiper un deiper. Äs de lesste Schnee fallen un de lessten Krokusse verbleiht wäörn, dao wäör Frank unnen. Ganz unnen. Un he konn nich men. Auk in jungen Jaohren laot’ de Kräfte irgendwann nao. Et wäör, bi aller Taohigkeit, bi aller Klookheit un auk bi aller westfäölschke Dickköppigkeit – et wäör dat Ende. He konn nich wieder.

Frank hatte das Gefühl, dass er fiel. Tiefer und tiefer. Als der letzte Schnee gefallen und die letzten Krokusse verblüht waren, da war Frank unten. Ganz unten. Und er konnte nicht mehr. Auch in jungen Jahren lassen die Kräfte irgendwann nach. Es war, bei aller Zähigkeit, bei aller Klugheit und auch bei aller westfälischer Dickköpfigkeit – es war das Ende. Er konnte nicht weiter.

He wäör diärteihn Jaohr olt, diärteihn Jaohr – un an ’t Ende. Et gaff eenfack kinnen Utwegg, et wäör eenfack dumm laupen för emm mit dat dämlicke Latien äs iärste Fremdspraoke, mit dat late Englischklärn un dann mit denn Scholwessel.

Er war dreizehn Jahre alt, dreizehn Jahre – und am Ende. Es gab einfach keinen Ausweg, es war einfach dumm gelaufen für ihn mit dem dämlichen Latein als erste Fremdsprache, mit dem späten Englischlernen und dann mit dem Schulwechsel.

He konn nich men. För emm wäör dat Liäben mit diärteihn eegentlick all vörbi. Emm bleef bloß eenes: upgiëben.

Er konnte nicht mehr. Für ihn war das Leben mit dreizehn eigentlich schon vorbei. Ihm blieb nur eines: aufgeben.

Un genau dat dää he nu. Upgiëben un tokieken, wat passeerde. Mit Intresse.

Und genau das tat er jetzt. Aufgeben und zugucken, was passierte. Mit Interesse.

„Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Utgeriäknet vöndage hadde sowat Dämlicket, wat an Dämlickkeit nich te üöwerbeiden wäör, up denn Kalenner staohn. He hadde dat lesst un follde sick verhohnepiepelt.

„Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Ausgerechnet heute hatte sowas Dämliches, was an Dämlichkeit nicht zu überbieten war, auf dem Kalender gestanden. Er hatte das gelesen und fühlte sich veralbert.

Sprüeke. Sprüeke hölpen nich wieder. Wat emm feihlde, dat wäörn kinne Sprüeke, dat wäör ganz wat Änneret.

Sprüche. Sprüche halfen nicht weiter. Was ihm fehlte, das waren keine Sprüche, das war ganz was Anderes.

Aower up wat Änneret hoff he nich te wochten. Sowat äs ‘n „Lichtlein“, dat gaff et in ’t richtige Liäben nich. Nich för Diärteihnjäöhrige, de kinn Englischk konnen un för de et kinnen Utwegg men gaff.

Aber auf etwas Anderes brauchte er nicht zu warten. So etwas wie ein „Lichtlein“, das gab es im richtigen Leben nicht. Nicht für Dreizehnjährige, die kein Englisch konnten und für die es keinen Ausweg mehr gab.

Un so schmeet he siene Scholtaschke in haugen Buogen in ’n ächtersten Hook vön sien Zimmer un gönk nao unnen. Et wäör April. April 1970.

Und so warf er seine Schultasche im hohen Bogen in die hinterste Ecke seines Zimmers und ging nach unten. Es war April. April 1970.

De Naomeddagssunne schmeet, äs he de Treppe runnergönk, löchtendgiäle Lechtspiële an de Treppenhuuswand. So sütt dat Ende ut, dachde he. Dat Ende för de, de kinn Englischk küennt.

Die Nachmittagssonne warf, als er die Treppe herunterging, leuchtendgelbe Lichtspiele an die Treppenhauswand. So sieht das Ende aus, dachte er. Das Ende für die, die kein Englisch können.

Up eegenartige Wiese wäör he gespannt daodrup, wu et nu wiedergönk mit emm. Wat nu up emm tokammp. Angeniëhm wäör dat. Komischkerwiese.

Auf eigenartige Weise war er gespannt darauf, wie es nun weiterging mit ihm. Was nun auf ihn zukam. Angenehm war das. Komischerweise.

Naomeddags, half fief. Te fröh to ’t Fernsehkieken. De Naorichten föngen iärst üm fief Uhr an. Up alle drei Programme. Vörhiär gaff et nicks äs Testbelder un Pieptöne.

Nachmittags, halb fünf. Zu früh zum Fernsehgucken. Die Nachrichten fingen erst um fünf Uhr an. Auf allen drei Programmen. Vorher gab es nur [nichts als] Testbilder und Pieptöne.

Jedet Programm hadde sien eegenet Testbeld. So wäör dat to de Tieten. He stönd vör denn Fernseher un drückede de Programmknöppe. Testbeld erstet Programm mit Piepton, Testbeld tweddet Programm mit ‘n ännern Piepton, – Testbeld diärdet Programm  — näi, kinn Testbeld up ’t diärde Programm. Up ’t Diärde, utgeriäknet up’t Diärde!,  löp ’ne Sendung. Mitten up ’n Naomeddagg?!? Dat was ja ganz wat Nieët.

Jedes Programm hatte sein eigenes Testbild. So war das damals [zu diesen Zeiten]. Er stand vor dem Fernseher und drückte die Programmknöpfe. Testbild erstes Programm mit Piepton, Testbild zweites Programm mit anderem Piepton, – Testbild drittes Programm –– nein, kein Testbild auf dem dritten Programm. Auf dem Dritten, ausgerechnet auf dem Dritten!, lief eine Sendung. Mitten auf dem Nachmittag?!? Das war ja ganz was Neues.

Aower män bloß ‘ne Kinnersendung. Mit Püppkes. Puppenspiël. Aower  –  up Englischk! Up Englischk! De Püppkes küerden Englischk! Gespräöke. Spiëlkes. Liedkes. Bokstabeern. Tahlen.

Aber [man] nur eine Kindersendung. Mit Püppchen. Puppenspiel. Aber – auf Englisch! Auf Englisch! Die Püppchen sprachen Englisch! Gespräche. Spielchen. Liedchen. Buchstabieren. Zahlen.

Komischke Püppkes. Eene gröne Pogge. Eene apige Suege. Een grauden giälen Vuegel. Een blauet Undier, wat ewig Plätzkes friäten woll. Kermit, the Frog. Miss Piggy. Big Bird. Dat Cookie Monster. De Püppkes süngen. De Püppkes lacheden. De Dierkes hadden Spass.

Komische Püppchen. Ein grüner Frosch. Eine affige Sau. Ein großer gelber Vogel. Ein blaues Monster, das ewig Plätzchen futtern wollte. Kermit, der Frosch. Miss Piggy. Big Bird. Das Cookiemonster. Die Püppchen sangen. De Püppchen lachten. Die Tierchen hatten Spaß.

Eene amerikanischke Puls! Kinnersendung. Mit Kinnerenglischk. Licht te verstaohn. Un Frank, Frank verstönd schlaggartig viëles, dat miäste, baole alles. Kinn Waort, kinn Waort stönd üöwer düsse Sendung in ’e Fernsehzeitung.

Eine amerikanische Puls! Kindersendung. Mit Kinderenglisch. Leicht zu verstehen. Und Frank, Frank verstand schlagartig vieles, das meiste, fast alles. Kein Wort, kein Wort stand über diese Sendung in der Fernsehzeitung.

Un se löp jeden Naomeddag. Un jeden Naomeddag satt Frank devör.

Und sie lief jeden Nachmittag. Und jeden Nachmittag saß Frank davor.

He fotede allmäöhlick, äs man Puls! so sägg. Dat hett, he kreeg fasten  Buoden unner de Föte.

Frank fasste allmählich wieder Fuß, wie man Puls! so sagt. Das heißt, er bekam festen Boden unter die Füße.

Nicks mit Bau. Nicks mit Handlanger. Tokunft. Tokunft düör Tofall. Düör blanken Tofall. Düör eene amerikanischke Kinnersendung, de nich „Wir haben wieder einen Puls!“in’t Fernsehprogramm stönd. De jeden Dagg löp un nie in ’e Fernsehzeitung stönn. Tofall? Off mähr äs Atem! Tofall?
De “Sesame Street” wäör in ‘n November 1969 in Amerika to ‘t iärste Maol in ‘t Fernsehen laupen. Un jüst maol ‘n paar atmet! Muonate later löp se in Dütschkland – original up amerikanischket englischk. In ‘t diärde Programm. Eegentlick is dat gar nich te glaiben. Wat is dat – wenn nich ihn wieder, wir haben ihn wieder! ‘n Wunner?

Nichts mit Bau. Nichts mit Handlanger. Zukunft. Zukunft durch Zufall. Durch blanken Zufall. Durch eine amerikanische Kindersendung, die nicht „Wir haben wieder einen Puls!“ im Fernsehprogramm stand. Die jeden Tag lief und nie in der Fernsehzeitung stand. Zufall? Oder mehr als Atem! Zufall?
Die „Sesame Street“ war im November 1969 in Amerika zum ersten Mal im Fernsehen gelaufen. Und gerade mal ein paar atmet! Monate später lief sie in Deutschland – original in amerikanischem Englisch. Im dritten Programm. Eigentlich ist das gar nicht zu glauben. Was ist das, wenn nicht ihn wieder, wir haben ihn wieder! ein Wunder?

Frank tröck, mit aller Gewolt, de Augenlitte hauch. De Beene un alle Knuoken dään so weh, dat he et wull utschreien konnt hadde.

Frank zog, mit aller Gewalt, die Augenlider hoch. Die Beine und alle Knochen taten so weh, dass er wohl laut hätte schreien können [dass er es wohl ausschreien gekonnt hätte].

Üöwer emm dreihede sick een Hubschrauber deiper un deiper, giälgleihnig in ‘t Sunnenlecht mit eenen wittgleihnig löchtenden Scheinwiärfer an de Unnersiete, an ‘n helllechten Dagg. Een Lechtken, een gewaltiget Lechtken, wat vön wellweetwaohiär kuemmen wäör.

Über ihm drehte sich ein Hubschrauber tiefer und tiefer, gelbglühend im Sonnenlicht mit einem weißglühend leuchtenden Scheinwerfer an der Unterseite, am helllichten Tag. Ein Lichtlein, ein gewaltiges Lichtlein, das von wer-weiß-woher gekommen war.

[veröffentlicht im „Jahrbuch des Kreises Steinfurt 2022“]