Plattdeutsche Ortsnamen – Stadtteile Hörstel

Plattdeutsche Ortsnamen
Im Rahmen unserer Initiative einer Ergänzung der Ortseingangsschilder im Stadtgebiet Hörstel haben wir ein Schreiben an Herrn Bürgermeister Ostholthoff und an alle Ratsmitglieder der Stadt Hörstel geschickt. Dieses Schreiben hat den folgenden Inhalt:
Ergänzung der Ortseingangsschilder um plattdeutsche Ortsnamen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Ostholthoff,
sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Hörstel,
seit 2018 besteht die Möglichkeit, auf Ortseingangsschildern unter dem Ortsnamen zusätzlich den mundartlichen Ortsnamen zu ergänzen (s. Anlage 1: Schreiben des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW an die Fachstelle Niederdeutsche Sprachpflege im Westfälischen Heimatbund (WHB) [mit der Anlage „Informationsblatt zum Führen von Gemeinde- und Kreisbezeichnungen“]).
Für dieses Recht hat sich Rita Averbeck aus Riesenbeck als Vorstandsmitglied der damaligen Fachstelle Niederdeutsch des WHB stark engagiert, u. a. in mehreren Gesprächssitzungen im Landtag Düsseldorf.
Wir beantragen,
die Ortseingangsschilder der Stadt Hörstel um folgende plattdeutsche Ortsnamen zu ergänzen:
Hörstel | um | Hüörssel |
Riesenbeck | um | Riesenbiëck |
Bevergern | um | Biäwergärn |
Dreierwalde | um | Dreierwaole |
(Anmerkung: die Schreibweise entspricht der im Münsterland allgemein üblichen Wibbelt-ähnlichen Schreibweise)
Hilfsweise beantragen wir,
nur die Ortsschilder von Hörstel um „Hüörssel“, von Riesenbeck um „Riesenbiëck“ und Bevergern um „Biäwergärn“ zu ergänzen.
Hilfsweise beantragen wir,
nur die Ortsschilder von Riesenbeck um „Riesenbiëck“ und Bevergern um „Biäwergärn“ zu ergänzen.
Hilfsweise beantragen wir,
nur das Ortsschild von Riesenbeck um „Riesenbiëck“ zu ergänzen.
Begründung:
Bis zum Sprachwechsel um etwa 1950 war Plattdeutsch in allen vier Ortsteilen die traditionelle, tief eingewurzelte Muttersprache und allgemeine Umgangssprache.
Bis heute ist Plattdeutsch ein wesentlicher Bestandteil unserer westfälischen Identität und unseres Heimatbewusstseins. Die Plattdeutschen Namensergänzungen auf den Ortseingangsschildern wären ein deutliches Bekenntnis zu unserem Heimatplatt.
In allen vier Ortsteilen ist Plattdeutsch nach wie vor lebendig und wird von engagierten Bürgern gepflegt und gefördert, z.B. in den Heimatvereinen.
Drei Ortsteile im Stadtgebiet aber haben einen ganz außergewöhnlichen Bezug zum Plattdeutschen, und zwar mit überregionaler Bedeutung. Wir möchten Sie auf diese ungewöhnlichen Besonderheiten aufmerksam machen, denn wegen dieser Besonderheiten stellen wir den Antrag auf zweisprachige Ortsschilder.
Zum ersten Hörstel. Der in Lippramsdorf geborene Hein Schlüter wuchs in Hörstel auf. Aus seinen vielfältigen Aktivitäten zur Förderung des Plattdeutsch ragt besonders die Mitbegründung des Plattdeutschen Singekrings in Münster heraus. Durch seine Schriften ist er, ähnlich wie Rosa Verlage für Riesenbeck, ein wichtiger Zeitzeuge un eine interessante historische Quelle für künftige Heimatforscher. Für seinen besonderern Einsatz für die niederdeutsche Sprache wurde er 1982 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Zum zweiten Bevergern. Mit der plattdeutschen Lyrikerin Ottilie Baranowski, die in Fachkreisen (z.B. in der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft) schon als „Annette von Droste-Hülshoff des Münsterländer Platt“ bezeichnet wurde, stammt eine Persönlichkeit von herausragender Bedeutung aus Bevergern. Unter anderem ist sie Mitbegründerin der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft und der Plattdeutschen Schule in Münster. Ihre Lyrik hat dem Bevergerner Platt einen ganz besonderen Platz gesichert.
Ihr literarisches Werk und ihr Engagement für das Plattdeutsch wurden wie folgt ausgezeichnet:
1986 Rottendorfpreis für besondere Verdienste um das Plattdeutsche
1989 Freudenthal-Preis
1991 Wanderpreis für Volkskunde und Brauchtum des Kreises Steinfurt
1994 Fritz-Reuter-Preis der Carl-Toepfer-Stiftung
1997 Wibbelt-Plakette des Kreisheimatvereins Beckum-Warendorf
2015 Ehrenmitgliedschaft der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft zu Münster.
Zum dritten Riesenbeck. Auf die besondere Bedeutung des Riesenbecker Platt wurde bereits im „Jahrbuch des Kreises Steinfurt 2017“ hingewiesen (S. 194ff: „Eenzigartig in´t Mönsterland“). Diese Abhandlung ist plattdeutsch geschrieben, eine Übersetzung liegt bei (Anlage 2).
Festzuhalten ist: das Riesenbecker Platt hat in der Germanistik durch die Transkription und Veröffentlichung der Tonaufzeichnung von August Wegmann (1959) eine überregionale Bedeutung.
Mit Rosa Verlage hat Riesenbeck eine bekannte, auch plattdeutsch schreibende Heimatdichterin. Durch ihre Texte ist sie eine wichtige historische Quelle – ohne ihre Texte wäre Vieles aus dem Riesenbeck des 19. Jahrhunderts vergessen. Ihre Texte sind außerdem eine einzigartige Quelle für Sprachuntersuchungen. Da Rosa Verlage ein recht altertümliches Platt schreibt, lassen sich anhand ihrer Texte z.B. Sprachveränderungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr gut nachweisen.
Von erheblicher Bedeutung für das Kernmünsterland (= ohne Westmünsterland und Ostwestfalen} ist auch das von Rita und Rudolf Averbeck 2007 veröffentlichte Buch „Dat Mönsterlänner Platt -Lehrbuch“, das weitgehend in Riesenbecker Platt geschrieben ist. Es wird mittlerweile vielfach als Standardwerk des Münsterländer Platt angesehen und in Sprachkursen überall im Münsterland, insbesondere auch von der Plattdeutschen Schule im Mühlenhof in Münster, als Lehrwerk genutzt.
Plattdeutsch hat für Hörstel, Bevergern und Riesenbeck eine ungewöhnliche Bedeutung – das sollte die Stadt erkennen und mit Stolz zum Anlass dafür nehmen, die Verbundenheit mit der Heimat und mit dem Plattdeutschen auf den Ortseingangsschildern zum Ausdruck zu bringen.
Wir weisen darauf hin, dass die alten plattdeutschen Ortsnamen ehr emotional für unsere lokale Kulturgeschichte stehen. Die beantragten zweisprachigen Ortsschilder wären damit ein für jedermann sichtbarer Ausdruck unserer Heimatverbundenheit. Nicht zuletzt wäre es auch ein Zeichen des Respekts vor dieser alten Sprache.
Vor einigen Jahren hatten wir in der Verwaltung auf die bevorstehende neue Möglichkeit plattdeutscher Namenszusätze auf Ortsschildern hingewiesen. Im Rat wurde seinerzeit darüber gesprochen und vorgetragen, dass ein plattdeutscher Zusatzortsname „die Autofahrer ablenken“würde. Dazu möchten wir anmerken, dass die Autofahrer z.B. in Drensteinfurt, Lippramsdorf oder Rödinghausen (dort gibt es diese Ortsschilder inzwischen) mitnichten „abgelenkt“ sind – und die Autofahrer bei uns sicher nicht ablenkungsgefährdeter sind als anderswo.
Vor längerer Zeit wurden in einer Gesprächsrunde der vier Heimatvereine der Stadt Hörstel zweisprachige Ortsschilder abgelehnt. Die Begründung war, dass die Ortsschilder mit dieser Zusatzinformation „zu unübersichtlich“ würden. Dazu möchten wir anmerken, dass solche Bedenken beispielsweise in Brochterbeck nicht bestanden; das dortige Ortseingangsschild umfasst vier breite Textzeilen: ,,Brochterbeck / Stadt Tecklenburg/ Die Festspielstadt / Kreis Steinfurt“.
Wir gehen im Übrigen davon aus, dass den Gesprächsteilnehmern die besondere Bedeutung des Plattdeutschen für Hörstel, Bevergern und Riesenbeck bei dem Gespräch seinerzeit nicht wirklich bewusst bzw. nicht bekannt war. In jedem Fall ist für Riesenbeck die neu erschienene Dokumentation des Riesenbecker Platt ein neuer und zusätzlicher Aspekt des Themas.
Wir erwarten von Ihnen, dass unser Antrag sachlich angemessen besprochen wird.
gez. Rudolf und Rita Averbeck
(Vorsitzende des Fachbereichs Plattdeutsch des Kreisheimatbundes Steinfurt)
Nachtrag zu unserem Antrag bei der Stadt Hörstel bezüglich unserer Initiative einer Ergänzung der Ortseingangsschilder im Stadtgebiet Hörstel
Seit Bekanntmachung unseres Antrages sind wir mehrfach und von verschiedenen Seiten auf die Inhalte angesprochen worden.
Grundsätzlich können wir feststellen, dass die allgemeine Reaktion auf unseren Antrag erfreulicherweise sehr positiv ist. Auch Personen, die persönlich keinen besonderen Bezug zum Plattdeutschen haben, fanden die Idee gut und unterstützungswürdig.
Wir wurden u.a. darauf hingewiesen (und haben es auch selbst so erlebt), dass Kinder und Jugendliche durchaus mit Feuereifer an den plattdeutschen Lesewettbewerben teilgenommen haben. Die dabei gezeigten Leistungen der Kinder und Jugendlichen waren mehr als erstaunlich. „Plattdeutsch ist d a s Symbol für Heimat“, wurde uns gesagt – „und Heimat hat nichts mit Alter zu tun.“ Heimat und damit Plattdeutsch ist definitiv ein wesentlicher Beitrag zur regionalen Identität.
Ein Bekannter wies uns auf folgendes hin: Das Stichwort „Ablenkung der Autofahrer wegen zusätzlicher Infos auf den Ortstafeln“ ist das gleiche haltlose Argument, mit dem vor Jahrzehnten der Bau der ersten privaten Windkraftanlage in Ibbenbüren verhindert werden sollte.
Mehrere Personen erzählten uns, dass sie mehrsprachige Ortstafeln in den verschiedensten Ländern Europas, wie z. B. im Baskenland, Polen, Irland, Wales, Schottland, aber auch in Deutschland, wie z.B. in der Lausitz und in Niedersachsen – und seit kurzem auch in Nordrhein-Westfalen – gesehen haben und als deutliches Zeichen der Verbundenheit mit der regionaleigenen Geschichte, Heimat und Kultur verstehen.
Eine geradezu anrührende politische Aussage sehen wir darin, dass in Polen auf Ortstafeln unter den polnischen Ortsnamen der ehemalige deutsche Name steht. Respekt!
Man drückt uns die Daumen und hofft, dass unsere Initiative über kurz oder lang von Erfolg gekrönt wird und damit insbesondere dem Riesenbecker Platt ein kleines Denkmal gesetzt wird.
Beschlusstext der Stadt Hörstel zum Antrag einer Ergänzung der Ortseingangsschilder in der Stadt Hörstel