Sachtexte – “Plattdeutsche Kindersprache – ‘Pielewuorm’ und ‘Baakoh'”
Plattdeutsche Kindersprache – “Pielewuorm” und “Baakoh”
Kindersprachen sind eine Sprachvarietät der jeweiligen Hochsprache. Sie helfen kleinen Kindern im Alter von 1 bis 2 Jahren beim Erwerb der Muttersprache; mit 3 Jahren ist der Spracherwerb meist soweit fortgeschritten, dass die Kindersprache durch die Hochsprache ersetzt wird. Vereinzelt werden aber auch bei älteren Kindern noch Kindersprachewörter verwendet, die aber nicht mehr dem Spracherwerb dienen, sondern als bewusste sprachliche Abgrenzung zur reinen Hochsprache dienen – zum Beispiel, um das Kindliche (meist wohlwollend) hervorzuheben.
Eine Kindersprache gibt es zu vielen, vielleicht sogar zu den meisten Sprachen – auch zum Plattdeutschen. Ich selbst habe, obwohl Hochdeutsch meine Muttersprache ist, doch einiges von der plattdeutschen Kindersprache kennengelernt und im Rahmen eines kleinen Sondervokabulars in der Veröffentlichung „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“ (Verlag Wiegedruck, 2020) aufgelistet – bei Drucklegung immerhin 116 Wörter. Nach dem Druck sind weitere 5 Kindersprachen-Wörter dazugekommen. Diese können, wie alle anderen nachträglichen Ergänzungen der Dokumentation auch, auf meiner Homepage „www.Dat-Moensterlaenner-Platt.de“ eingesehen werden. Durch die nachträglichen Ergänzungen werden die grundsätzlichen Aussagen zur Kindersprache in dieser Ausarbeitung nicht beeinflusst.
Bei nicht wenigen der Kinderwörter bin ich unsicher, ob sie nicht oder nicht auch hochdeutsche Kindersprache-Wörter sind. Die Abgrenzung ist angesichts fehlender schriftlicher Dokumente und fehlender Resonanzen von Gewährsleuten für mich schwierig. Zusammengetragen habe ich die Kindersprachewörter seit etwa Mitte der 1990er Jahre, also Jahrzehnte nach ihrer letztmaligen Verwendung beim Spracherwerb – und das war in Riesenbeck um 1960, also vor dem Sprachwechsel.
Sprachwechsel heißt bei uns im Münsterland: die Kinder lernen als Muttersprache Hochdeutsch und nicht mehr – wie früher – Plattdeutsch. Das erste, was bei diesem Sprachwechsel, meist wenig beachtet, verschwindet, ist die Kindersprache. Wo eine Sprache nicht mehr als Muttersprache erlernt wird, da wird die Kindersprache nicht mehr gebraucht. Wenn größere Kinder oder Erwachsene eine Sprache (z.B. Plattdeutsch) schulisch erlernen, dann wird dabei die Kindersprache ganz sicher nicht mehr verwendet.
In der plattdeutschen Literatur kenne ich nur eine einzige Stelle, in der Kindersprache vorkommt: In „Drüke Möhne“ von Augustin Wibbelt, Band 3 [1], sagt im 3. Kapitel der Erzählung „Dat Testament“ die Meerske (Bäurin) zu ihrem kleinen Sohn Anton, den sie auf den Knien hat: „Antönken, doh Ohm äs Ah – un segg em, he soll hier blieben.“ („Antönchen, mach dem Onkel mal Ah – und sag ihm, er soll hier bleiben.“) In der Ausgabe der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft übersetzt der Bearbeiter Prof. Dr. Hans Taubken (s. „Kleines Wörterverzeichnis“ im Anhang) „ah dohn“ mit „streicheln“. Der Hinweis darauf, dass dieser Ausdruck nur in der Kindersprache verwendet wird, fehlt. Ganz sicher aber würde z.B. ein junger Mann seiner Freundin nicht „Ah dohn“; hier würden anderere Wörter wie z.B. sträöksken (auch: sträökskeln) verwendet.
Die plattdeutsche Kindersprache ist, wie gezeigt, keine literarische Sprache. Das heißt, dass sie so gut wie nie schriftlich erfasst wurde, und damit versinkt dieser Teil unserer Sprache nicht nur fast unbemerkt, sondern auch fast spurlos in der Vergessenheit. In Riesenbeck jedenfalls ist die plattdeutsche Kindersprache heute so gut wie vollständig vergessen. Im Januar 2020 sprach ich im Rahmen eines kleinen Vortrages bei einem Seniorennachmittag über die Kindersprache und versuchte anschließend, von den zahlreichen Anwesenden einige bisher nicht erfasste plattdeutsche Kindersprachewörter zu erfahren. Das Ergebnis war ernüchternd: es wurde kein einziges neues Wort gefunden – trotz großen Interesses der vielen anwesenden Plattdeutsch-Muttersprachler.
Mit kleinen Kindern, die gerade erst anfangen zu sprechen, spricht man anders als mit großen Kindern oder Erwachsenen. Die Kindersprache ist eine leichte, einfache Sprache. Sie besteht aus kurzen, oft unvollständigen Sätzen, anstelle von Personalpronomen werden die Namen verwendet, es werden einfache, kurze Wörter gebraucht – und es werden vor allen Dingen eigene Wörter benutzt, die bei größeren Kindern oder Erwachsenen nicht mehr verwendet werden.
Interessanterweise werden die Wörter der Kindersprache in vielen Sprachen (soweit ich das überblicken kann) vergleichbar gebildet, nämlich
durch Hinzufügung erläuternder Zusätze [Wortergänzungen] (42),
Lautmalerei (41),
Verdopplung (22),
Verkleinerungsformen (20),
Hinzufügung rhythmischer Wortergänzungen (8)
oder in sonstiger Weise (26).
Die Zahlen in Klammern geben an, wie viele Beispiele für die jeweilige Bildungsform ich bei den insgesamt 116 Kindersprachewörtern in „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“ erfasst habe. Überschneidungen zwischen den verschiedenen Arten der Wortbildung sind dabei möglich und sogar recht häufig („Wauwau“ z.B. gehört sowohl zur Kategorie „Verdopplung“ als auch zur Kategorie „Lautmalerei“).
Die im Folgenden angegebenen prozentualen Angaben beziehen sich auf die bereits erwähnten 116 Kindersprachewörter. Da Doppelzuordnungen möglich sind (wegen der bereits erwähnten Überschneidungen), summieren sich die Prozentwerte auf mehr als 100.
Die meisten Kindersprachewörter im Sondervokabular von „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“, nämlich 36 %, gehören zur Kategorie „Bildung durch Hinzufügung erläuternder Zusätze / Bildung mit Wortergänzung“. Wortergänzungen verbinden Wörter mit (ihren) markanten Merkmalen (z.B. mit Lauten, Verhaltensweisen o.ä.), machen sie so leichter verständlich und damit auch leichter erlernbar. Beispiele dafür sind: Baakoh, Bählämmken, Bimmbamm-Baier (Glöckner), Bimmelbahne, Heiabedde, Heiabettken, Hoppelhäsken, Hoppelpiärdken, Klapperstuork, Kodääkschwien, Krabbeldier, Kullerauge, Kullerball, Kullerträöne, Mießekatte, Muhkoh, Patschhändken, Pieleente, Pielewuorm, Piepvuegel, Piffpaff-Gewiähr, Pipimännken, Pullearm, Pulleärmken, Pullebeen, Pullebeenken, Pullefatt, Pullefättken, Pullewanne, Schaukelpiärdken, Schnippschnappschäre (auch: Schäre schnippschnapp), Tickei, Tickhohn, Tucktuckhohn, Tuthäörn.
Die zweitgrößte Gruppe stellen Kindersprachewörter dar, die durch Lautmalerei gebildet werden (35 %). Dabei kann die Lautmalerei das ganze Wort bilden [Aua-Aua, Bäbbel, Bimmbamm (Glocke), Hammhamm, hammhamm maken, Hüss (Schwein,) Puttputt (Traktor), Tucktuck] oder als Wortergänzung dem Grundwort hinzugefügt werden [Baakoh, Bählämmken, Bimmbamm-Baier, Bimmelbahne, Kiekebäök, Klapperstuork, Kodääkschwien, Muhkoh, Patschhändken, Piepvuegel, Piffpaff-Gewiähr, Pittpatt maken (gehen), puttepatt maken (tapsig an der Hand laufen), Schnippschnappschäre (auch: Schäre schnippschnapp), Tickei, Tickhohn, Tucktuckhohn, Tuthäörn].
Die drittgrößte Gruppe (mit 19 %) sind Kindersprachewörter, die durch Verdopplung gebildet werden. Diese Wörter gelten allgemein als besonders typische Kindersprachewörter, die teilweise auch in der Hochsprache durchaus akzeptiert sind, oft mit einem vertraulichen, familiären Unterton (z.B. Mama, Papa).
Beispiele für Verdopplungen sind: Aua-Aua, bidde-bidde maken, fitt-fitt maken (schadenfrohe Fingergeste machen), Hammhamm (Essen), hammhamm maken, heiaheia maken, hoppehoppe maken (auf den Knien reiten), Hüsshüss (Schwein), killekille, Kodäckkodäck (Schwein), leisleis (Kosewort beim Wangestreicheln), Mama, Muckmuck (Kaninchen), Papa, Pipi, Popo, pullepulle maken (baden), Puttputt (Traktor), Tucktuck (Huhn), winkewinke maken.
Verkleinerungsformen sind im Plattdeutschen wie im Hochdeutschen grundsätzlich wenig gebräuchlich, wobei allerdings die Kindersprache eine Ausnahme bildet. Hier bilden Verkleinerungsformen mit 17 % die viertgrößte Kategorie. Die Verkleinerungsform (im Münsterländer Platt mit der angefügten Wortendung „-ken“ gebildet, wobei der Wortstamm oft verändert wird) macht große Dinge klein und dadurch kindgerecht. Kleine Sachen sind harmloser als große, die große Welt wird verbal der Kindergröße angepasst und damit für Kinder auch vertrauter. So kann die Verkleinerung von Dingen Kindern Ängste nehmen.
Die Enkelgeneration der Familie Börgermann 1962.
Die beiden Jungs Franz-Josef (Jahrgang 1957) und Karl-Heinz (Jahrgang1958) gehören zu den letzten Plattdeutsch-Muttersprachlern in Riesenbeck. Das Mädchen Rita (Jahrgang 1959) wurde Hochdeutsch aufgezogen – nach schlechten Erfahrungen der Brüder im Kindergarten.
Beim Riesenbecker Platt bin ich auf folgende Kindersprache-Verkleinerungsformen gestoßen: Äugsken, Bählämmken, Bäuerken (Aufstoßen), Bieterken (erste Zähne), Bölleken (Oberschenkel), fiene Händken (das feine Händchen, die rechte Hand), Heiabettken, Hoppelhäsken, Hoppelpiärdken, Mießekättken, Mießken, Patschhändken, Pipimännken, Pöttken (Kindertopf), Pulleärmken, Pullebeenken, Pullebüksken, Pullefättken, Schaukelpiärdken.
Rhythmische Ergänzungen kommen oft in Kinderliedern oder Kindergedichten vor, insgesamt mit 7 % aber recht selten. Ein Beispiel ist ein Kinderrätselgedicht, das so anfängt: „Veer Ri-Ra-Rüllekes…“ (= „Vier Ri-Ra-Röllchen“, gemeint sind vier Räder).
Weitere Beispiele (die oft kaum von Lautmalerei abzugrenzen sind): Heiapopeia, Piffpaff-Gewiähr, pickepackevull, pittpatt maken, puttepatt maken, Teita gaohn, Ticktack, Ticktackuhr.
Die verbleibenden sonstigen Kindersprachewörter (22%) lassen sich weiter unterteilen in
- Wörter einer verkindlichten Sprache,
- kindliche Ausrufe und
- Kindersprachwörter für ältere Kinder.
Die verkindlichte Sprache verändert Wörter, indem z.B. der Auslaut verändert wird (aus Lampe wird z.B. „Lämpi“, aus Puppe „Püppi“, aus Pulle „Pulla“) oder zusätzlich angefügt wird (aus Ball wird „Balla“, aus Pott „Pötti“). Dabei wird oft, ähnlich wie bei der Bildung von Verkleinerungsformen, der Wortstammvokal verändert (z.B. Lampe / Lämpken / Lämpi, Pott / Pöttken / Pötti, Puppe / Püppken / Püppi).
Ausrufe gibt es viele (z.B. „Ogottogott! Jesses!“, aber es gibt auch viele, die eindeutig zur Kindersprache gehören (z.B.Ätschibätschi! I-bah! I-bäh! Igittegitt! Pfui-ba! Pfui-bä! Wuppkedie! Wuppskedie!).
Die letzte Gruppe der Kindersprachewörter wendet sich nicht an die ganz kleinen Kinder, sondern an ältere. Hier finden sich solche Wörter, die beim Gebrauch im Umgang mit Kindern eine eigene, vom Üblichen abweichende Bedeutung haben.
So ein Wort ist „Daler“. Ein „Daler“ ist eigentlich das alte 3-Mark-Stück aus der späten Kaiserzeit. In der Kindersprache aber ist „Daler“ ganz allgemein eine Münze, kann also auch ein Centstück sein. „Hier häss du eenen Daler för dien Sparschwienken.“ – das bedeutet also sicher nicht, dass das Kind ein 3-Mark-Stück erhält.
Das Wort „Aua“ ist im Hochdeutschen wie im Plattdeutschen ein Schmerzruf (Aua, das tut weh! / Aua, dat dött weh!), in der Kindersprache bedeutet es aber auch „Schmerz, Schmerzen“ (Hast du Aua? Tut das Aua? Hast du dir Aua getan? / Häss du Aua? Dött dat Aua? Häss du di Aua daon?) Bei ganz kleinen Kindern wird auch die Verdoppelungsform verwendet (Hast du Aua-Aua? / Häss du Aua-Aua?).
Ein weiteres, recht geläufiges Wort ist „fien“. Grundsätzlich bedeutet es „fein“ und wird durchaus auch so benutzt (fiener Riängen / wat fien maken / fienet Miähl). In der Kindersprache bedeutet es aber auch „richtig“ (Giff Opa de Hand! Nich d a t Händken! Dat f i e n e Händken! [= die richtige, also die rechte Hand]). „Wat Fienet“ ist nicht nur „etwas Feines“, sondern bei Kindern oft auch „eine Belohnung“ [Mak dat üörntlick, dann giff ‘t auk wat Fienet!“].
Jungs spielten nicht mit einem „Buogen“, sondern mit einem „Flitzebuogen“. Beim Schlachten bekamen die braven Kinder aus dem Schweinekessel, in dem die Würste gekocht wurden, eine eigene Kinderwurst, das „Kiëdelendsken“. Kinder gehen auch nicht zum Arzt, sondern zum „Onkel Doktor“. Und „Onkel“ und „Tante“ sind weit mehr als nur die leiblichen Verwandten, sie sind praktisch jeder nicht ganz unbekannte Erwachsene.
Und nicht zu vergessen: für Drohungen gegenüber Kindern gab es Schreckgestalten, die ihnen Angstschauer über den Rücken jagten. Neben dem Buddekerl (Knochenmann) und Bäöhmann (Buhmann) [Pass up, dat di de Bäöhmann nich halt!] war es in Riesenbeck vor allem die Roggenmuhme, seltener auch die Roggenmoher. Sie hatte es auf böse Kinder abgesehen, die verbotswidrigerweise in Getreidefelder liefen und dabei die Halme niedertraten. Kinder, die das taten, waren rettungslos verloren, die Roggenmuhme (die wir uns als alte hässliche schwarzgekleidete Hexe vorstellten) erwischte immer wieder solche bösen Kinder, die dann für alle Zeit verschwanden. „Blagen, passt up!“ mahnte uns mein Onkel in den 1960-er Jahren, „Ick häff gistern noch de Roggenmuhme ächten in ‘t Felde laupen seihn.“ Nach dieser Information trauten wir uns nicht mal mehr in die Nähe der Getreidefelder.
Auf die besondere Problematik der Abgrenzung zwischen plattdeutschen und hochdeutschen Wörtern der Kindersprache habe ich schon hingewiesen. Vieles, was im Plattdeutsch geläufig war, ist im Hochdeutschen genauso geläufig, wie z.B. Auto tüt tüt, Auto brummbrumm, Tufftuff (= Eisenbahn), Ticktack, Bollerwagen, Brummkreisel, Wauwau, winkewinke, Hottemax, Hottewagen (= Pferdewagen), teita. Das Wort „teita“ scheint überregional verbreitet zu sein und kommt im Plattdeutschen (Wi gaoht teita.) genauso vor wie im Hochdeutschen (Wir gehen teita.) und ist vielleicht das Wort, an das sehr viele bei dem Wort „Kindersprache“ zuerst denken.
Mit Kinderwörtern spielt auch die Wirtschaft gelegentlich. So ist z.B. der Begriff „tut tut Baby Flitzer“ markenrechtlich geschützt.
Auch Verliebte greifen, insbesondere bei der Auswahl von Koseworten, gerne auf die Kindersprache zurück – das drückt besondere Vertrautheit aus. Dazu einige Beispiele für Koseworte mit erläuternden Zusätzen (Schnullerbacke, Puppenschnute, Schmusekater), Verkleinerungsformen (Knuddelchen, Schätzle, Schnubbelchen) oder verkindlichter Sprache (Puscheli, Schnurzelpurzel, Flauschibärchi).
Auch Tierlockrufe werden oft wie Wörter der Kindersprache mit Verdopplung gebildet: „Mießmieß!“ (Lockruf für Katzen), „Kodääkkodääk!“ oder „Hüsshüss!“ (Lockruf für Schweine), „Eek! Eek!“ (Lockruf für Eichhörnchen), „Kuupkuup!“ (Lockruf für Hühner), „Puttputt“ (Lockruf für Hühner) oder „Lämmlämm!“ (Lockruf für Schafe).
Wie bereits festgestellt, wird die Kindersprache nicht mehr gebraucht, wenn die Sprache den Status als Muttersprache verliert. In der Folge gerät die Kindersprache, die so gut wie nie eine Schriftsprache ist, in Vergessenheit. Im Zuge dieser Ereignisse gerät noch eine weitere Gruppe von Wörtern in Vergessenheit, nämlich die Wörter, die direkt mit der Kindheit zu tun haben.
Solche Wörter sind im Riesenbecker Platt beispielsweise „banklammern“ (Kindertoben), „pracheln“ (quengeln, Kinderbetteln), „gohnen“ (wortloses betteln durch erwartungsvolles Verhalten [fast immer auf Kinder bezogen], „schattken“ (toben, spielen [im Zusammenhang mit Erwachsenen auch: geschäftig arbeiten]) und „üttken“ (spielen).
Text-Fußnoten:
[1] Drüke Möhne, Band 3, Augustin Wibbelt, Edition Heckmann im Landwirtschaftsverlag, Hiltrup, 1997
[veröffentlicht im Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2023, S. 274]
Plattdeutsche Kindersprache – “Pielewuorm” und “Baakoh”
Kindersprachen sind eine Sprachvarietät der jeweiligen Hochsprache. Sie helfen kleinen Kindern im Alter von 1 bis 2 Jahren beim Erwerb der Muttersprache; mit 3 Jahren ist der Spracherwerb meist soweit fortgeschritten, dass die Kindersprache durch die Hochsprache ersetzt wird. Vereinzelt werden aber auch bei älteren Kindern noch Kindersprachewörter verwendet, die aber nicht mehr dem Spracherwerb dienen, sondern als bewusste sprachliche Abgrenzung zur reinen Hochsprache dienen – zum Beispiel, um das Kindliche (meist wohlwollend) hervorzuheben.
Eine Kindersprache gibt es zu vielen, vielleicht sogar zu den meisten Sprachen – auch zum Plattdeutschen. Ich selbst habe, obwohl Hochdeutsch meine Muttersprache ist, doch einiges von der plattdeutschen Kindersprache kennengelernt und im Rahmen eines kleinen Sondervokabulars in der Veröffentlichung „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“ (Verlag Wiegedruck, 2020) aufgelistet – bei Drucklegung immerhin 116 Wörter. Nach dem Druck sind weitere 5 Kindersprachen-Wörter dazugekommen. Diese können, wie alle anderen nachträglichen Ergänzungen der Dokumentation auch, auf meiner Homepage „www.Dat-Moensterlaenner-Platt.de“ eingesehen werden. Durch die nachträglichen Ergänzungen werden die grundsätzlichen Aussagen zur Kindersprache in dieser Ausarbeitung nicht beeinflusst.
Bei nicht wenigen der Kinderwörter bin ich unsicher, ob sie nicht oder nicht auch hochdeutsche Kindersprache-Wörter sind. Die Abgrenzung ist angesichts fehlender schriftlicher Dokumente und fehlender Resonanzen von Gewährsleuten für mich schwierig. Zusammengetragen habe ich die Kindersprachewörter seit etwa Mitte der 1990er Jahre, also Jahrzehnte nach ihrer letztmaligen Verwendung beim Spracherwerb – und das war in Riesenbeck um 1960, also vor dem Sprachwechsel.
Sprachwechsel heißt bei uns im Münsterland: die Kinder lernen als Muttersprache Hochdeutsch und nicht mehr – wie früher – Plattdeutsch. Das erste, was bei diesem Sprachwechsel, meist wenig beachtet, verschwindet, ist die Kindersprache. Wo eine Sprache nicht mehr als Muttersprache erlernt wird, da wird die Kindersprache nicht mehr gebraucht. Wenn größere Kinder oder Erwachsene eine Sprache (z.B. Plattdeutsch) schulisch erlernen, dann wird dabei die Kindersprache ganz sicher nicht mehr verwendet.
In der plattdeutschen Literatur kenne ich nur eine einzige Stelle, in der Kindersprache vorkommt: In „Drüke Möhne“ von Augustin Wibbelt, Band 3 [1], sagt im 3. Kapitel der Erzählung „Dat Testament“ die Meerske (Bäurin) zu ihrem kleinen Sohn Anton, den sie auf den Knien hat: „Antönken, doh Ohm äs Ah – un segg em, he soll hier blieben.“ („Antönchen, mach dem Onkel mal Ah – und sag ihm, er soll hier bleiben.“) In der Ausgabe der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft übersetzt der Bearbeiter Prof. Dr. Hans Taubken (s. „Kleines Wörterverzeichnis“ im Anhang) „ah dohn“ mit „streicheln“. Der Hinweis darauf, dass dieser Ausdruck nur in der Kindersprache verwendet wird, fehlt. Ganz sicher aber würde z.B. ein junger Mann seiner Freundin nicht „Ah dohn“; hier würden anderere Wörter wie z.B. sträöksken (auch: sträökskeln) verwendet.
Die plattdeutsche Kindersprache ist, wie gezeigt, keine literarische Sprache. Das heißt, dass sie so gut wie nie schriftlich erfasst wurde, und damit versinkt dieser Teil unserer Sprache nicht nur fast unbemerkt, sondern auch fast spurlos in der Vergessenheit. In Riesenbeck jedenfalls ist die plattdeutsche Kindersprache heute so gut wie vollständig vergessen. Im Januar 2020 sprach ich im Rahmen eines kleinen Vortrages bei einem Seniorennachmittag über die Kindersprache und versuchte anschließend, von den zahlreichen Anwesenden einige bisher nicht erfasste plattdeutsche Kindersprachewörter zu erfahren. Das Ergebnis war ernüchternd: es wurde kein einziges neues Wort gefunden – trotz großen Interesses der vielen anwesenden Plattdeutsch-Muttersprachler.
Mit kleinen Kindern, die gerade erst anfangen zu sprechen, spricht man anders als mit großen Kindern oder Erwachsenen. Die Kindersprache ist eine leichte, einfache Sprache. Sie besteht aus kurzen, oft unvollständigen Sätzen, anstelle von Personalpronomen werden die Namen verwendet, es werden einfache, kurze Wörter gebraucht – und es werden vor allen Dingen eigene Wörter benutzt, die bei größeren Kindern oder Erwachsenen nicht mehr verwendet werden.
Interessanterweise werden die Wörter der Kindersprache in vielen Sprachen (soweit ich das überblicken kann) vergleichbar gebildet, nämlich
durch Hinzufügung erläuternder Zusätze [Wortergänzungen] (42),
Lautmalerei (41),
Verdopplung (22),
Verkleinerungsformen (20),
Hinzufügung rhythmischer Wortergänzungen (8)
oder in sonstiger Weise (26).
Die Zahlen in Klammern geben an, wie viele Beispiele für die jeweilige Bildungsform ich bei den insgesamt 116 Kindersprachewörtern in „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“ erfasst habe. Überschneidungen zwischen den verschiedenen Arten der Wortbildung sind dabei möglich und sogar recht häufig („Wauwau“ z.B. gehört sowohl zur Kategorie „Verdopplung“ als auch zur Kategorie „Lautmalerei“).
Die im Folgenden angegebenen prozentualen Angaben beziehen sich auf die bereits erwähnten 116 Kindersprachewörter. Da Doppelzuordnungen möglich sind (wegen der bereits erwähnten Überschneidungen), summieren sich die Prozentwerte auf mehr als 100.
Die meisten Kindersprachewörter im Sondervokabular von „Das Riesenbecker Platt – Dokumentation“, nämlich 36 %, gehören zur Kategorie „Bildung durch Hinzufügung erläuternder Zusätze / Bildung mit Wortergänzung“. Wortergänzungen verbinden Wörter mit (ihren) markanten Merkmalen (z.B. mit Lauten, Verhaltensweisen o.ä.), machen sie so leichter verständlich und damit auch leichter erlernbar. Beispiele dafür sind: Baakoh, Bählämmken, Bimmbamm-Baier (Glöckner), Bimmelbahne, Heiabedde, Heiabettken, Hoppelhäsken, Hoppelpiärdken, Klapperstuork, Kodääkschwien, Krabbeldier, Kullerauge, Kullerball, Kullerträöne, Mießekatte, Muhkoh, Patschhändken, Pieleente, Pielewuorm, Piepvuegel, Piffpaff-Gewiähr, Pipimännken, Pullearm, Pulleärmken, Pullebeen, Pullebeenken, Pullefatt, Pullefättken, Pullewanne, Schaukelpiärdken, Schnippschnappschäre (auch: Schäre schnippschnapp), Tickei, Tickhohn, Tucktuckhohn, Tuthäörn.
Die zweitgrößte Gruppe stellen Kindersprachewörter dar, die durch Lautmalerei gebildet werden (35 %). Dabei kann die Lautmalerei das ganze Wort bilden [Aua-Aua, Bäbbel, Bimmbamm (Glocke), Hammhamm, hammhamm maken, Hüss (Schwein,) Puttputt (Traktor), Tucktuck] oder als Wortergänzung dem Grundwort hinzugefügt werden [Baakoh, Bählämmken, Bimmbamm-Baier, Bimmelbahne, Kiekebäök, Klapperstuork, Kodääkschwien, Muhkoh, Patschhändken, Piepvuegel, Piffpaff-Gewiähr, Pittpatt maken (gehen), puttepatt maken (tapsig an der Hand laufen), Schnippschnappschäre (auch: Schäre schnippschnapp), Tickei, Tickhohn, Tucktuckhohn, Tuthäörn].
Die drittgrößte Gruppe (mit 19 %) sind Kindersprachewörter, die durch Verdopplung gebildet werden. Diese Wörter gelten allgemein als besonders typische Kindersprachewörter, die teilweise auch in der Hochsprache durchaus akzeptiert sind, oft mit einem vertraulichen, familiären Unterton (z.B. Mama, Papa).
Beispiele für Verdopplungen sind: Aua-Aua, bidde-bidde maken, fitt-fitt maken (schadenfrohe Fingergeste machen), Hammhamm (Essen), hammhamm maken, heiaheia maken, hoppehoppe maken (auf den Knien reiten), Hüsshüss (Schwein), killekille, Kodäckkodäck (Schwein), leisleis (Kosewort beim Wangestreicheln), Mama, Muckmuck (Kaninchen), Papa, Pipi, Popo, pullepulle maken (baden), Puttputt (Traktor), Tucktuck (Huhn), winkewinke maken.
Verkleinerungsformen sind im Plattdeutschen wie im Hochdeutschen grundsätzlich wenig gebräuchlich, wobei allerdings die Kindersprache eine Ausnahme bildet. Hier bilden Verkleinerungsformen mit 17 % die viertgrößte Kategorie. Die Verkleinerungsform (im Münsterländer Platt mit der angefügten Wortendung „-ken“ gebildet, wobei der Wortstamm oft verändert wird) macht große Dinge klein und dadurch kindgerecht. Kleine Sachen sind harmloser als große, die große Welt wird verbal der Kindergröße angepasst und damit für Kinder auch vertrauter. So kann die Verkleinerung von Dingen Kindern Ängste nehmen.
Die Enkelgeneration der Familie Börgermann 1962.
Die beiden Jungs Franz-Josef (Jahrgang 1957) und Karl-Heinz (Jahrgang1958) gehören zu den letzten Plattdeutsch-Muttersprachlern in Riesenbeck. Das Mädchen Rita (Jahrgang 1959) wurde Hochdeutsch aufgezogen – nach schlechten Erfahrungen der Brüder im Kindergarten.
Beim Riesenbecker Platt bin ich auf folgende Kindersprache-Verkleinerungsformen gestoßen: Äugsken, Bählämmken, Bäuerken (Aufstoßen), Bieterken (erste Zähne), Bölleken (Oberschenkel), fiene Händken (das feine Händchen, die rechte Hand), Heiabettken, Hoppelhäsken, Hoppelpiärdken, Mießekättken, Mießken, Patschhändken, Pipimännken, Pöttken (Kindertopf), Pulleärmken, Pullebeenken, Pullebüksken, Pullefättken, Schaukelpiärdken.
Rhythmische Ergänzungen kommen oft in Kinderliedern oder Kindergedichten vor, insgesamt mit 7 % aber recht selten. Ein Beispiel ist ein Kinderrätselgedicht, das so anfängt: „Veer Ri-Ra-Rüllekes…“ (= „Vier Ri-Ra-Röllchen“, gemeint sind vier Räder).
Weitere Beispiele (die oft kaum von Lautmalerei abzugrenzen sind): Heiapopeia, Piffpaff-Gewiähr, pickepackevull, pittpatt maken, puttepatt maken, Teita gaohn, Ticktack, Ticktackuhr.
Die verbleibenden sonstigen Kindersprachewörter (22%) lassen sich weiter unterteilen in
- Wörter einer verkindlichten Sprache,
- kindliche Ausrufe und
- Kindersprachwörter für ältere Kinder.
Die verkindlichte Sprache verändert Wörter, indem z.B. der Auslaut verändert wird (aus Lampe wird z.B. „Lämpi“, aus Puppe „Püppi“, aus Pulle „Pulla“) oder zusätzlich angefügt wird (aus Ball wird „Balla“, aus Pott „Pötti“). Dabei wird oft, ähnlich wie bei der Bildung von Verkleinerungsformen, der Wortstammvokal verändert (z.B. Lampe / Lämpken / Lämpi, Pott / Pöttken / Pötti, Puppe / Püppken / Püppi).
Ausrufe gibt es viele (z.B. „Ogottogott! Jesses!“, aber es gibt auch viele, die eindeutig zur Kindersprache gehören (z.B.Ätschibätschi! I-bah! I-bäh! Igittegitt! Pfui-ba! Pfui-bä! Wuppkedie! Wuppskedie!).
Die letzte Gruppe der Kindersprachewörter wendet sich nicht an die ganz kleinen Kinder, sondern an ältere. Hier finden sich solche Wörter, die beim Gebrauch im Umgang mit Kindern eine eigene, vom Üblichen abweichende Bedeutung haben.
So ein Wort ist „Daler“. Ein „Daler“ ist eigentlich das alte 3-Mark-Stück aus der späten Kaiserzeit. In der Kindersprache aber ist „Daler“ ganz allgemein eine Münze, kann also auch ein Centstück sein. „Hier häss du eenen Daler för dien Sparschwienken.“ – das bedeutet also sicher nicht, dass das Kind ein 3-Mark-Stück erhält.
Das Wort „Aua“ ist im Hochdeutschen wie im Plattdeutschen ein Schmerzruf (Aua, das tut weh! / Aua, dat dött weh!), in der Kindersprache bedeutet es aber auch „Schmerz, Schmerzen“ (Hast du Aua? Tut das Aua? Hast du dir Aua getan? / Häss du Aua? Dött dat Aua? Häss du di Aua daon?) Bei ganz kleinen Kindern wird auch die Verdoppelungsform verwendet (Hast du Aua-Aua? / Häss du Aua-Aua?).
Ein weiteres, recht geläufiges Wort ist „fien“. Grundsätzlich bedeutet es „fein“ und wird durchaus auch so benutzt (fiener Riängen / wat fien maken / fienet Miähl). In der Kindersprache bedeutet es aber auch „richtig“ (Giff Opa de Hand! Nich d a t Händken! Dat f i e n e Händken! [= die richtige, also die rechte Hand]). „Wat Fienet“ ist nicht nur „etwas Feines“, sondern bei Kindern oft auch „eine Belohnung“ [Mak dat üörntlick, dann giff ‘t auk wat Fienet!“].
Jungs spielten nicht mit einem „Buogen“, sondern mit einem „Flitzebuogen“. Beim Schlachten bekamen die braven Kinder aus dem Schweinekessel, in dem die Würste gekocht wurden, eine eigene Kinderwurst, das „Kiëdelendsken“. Kinder gehen auch nicht zum Arzt, sondern zum „Onkel Doktor“. Und „Onkel“ und „Tante“ sind weit mehr als nur die leiblichen Verwandten, sie sind praktisch jeder nicht ganz unbekannte Erwachsene.
Und nicht zu vergessen: für Drohungen gegenüber Kindern gab es Schreckgestalten, die ihnen Angstschauer über den Rücken jagten. Neben dem Buddekerl (Knochenmann) und Bäöhmann (Buhmann) [Pass up, dat di de Bäöhmann nich halt!] war es in Riesenbeck vor allem die Roggenmuhme, seltener auch die Roggenmoher. Sie hatte es auf böse Kinder abgesehen, die verbotswidrigerweise in Getreidefelder liefen und dabei die Halme niedertraten. Kinder, die das taten, waren rettungslos verloren, die Roggenmuhme (die wir uns als alte hässliche schwarzgekleidete Hexe vorstellten) erwischte immer wieder solche bösen Kinder, die dann für alle Zeit verschwanden. „Blagen, passt up!“ mahnte uns mein Onkel in den 1960-er Jahren, „Ick häff gistern noch de Roggenmuhme ächten in ‘t Felde laupen seihn.“ Nach dieser Information trauten wir uns nicht mal mehr in die Nähe der Getreidefelder.
Auf die besondere Problematik der Abgrenzung zwischen plattdeutschen und hochdeutschen Wörtern der Kindersprache habe ich schon hingewiesen. Vieles, was im Plattdeutsch geläufig war, ist im Hochdeutschen genauso geläufig, wie z.B. Auto tüt tüt, Auto brummbrumm, Tufftuff (= Eisenbahn), Ticktack, Bollerwagen, Brummkreisel, Wauwau, winkewinke, Hottemax, Hottewagen (= Pferdewagen), teita. Das Wort „teita“ scheint überregional verbreitet zu sein und kommt im Plattdeutschen (Wi gaoht teita.) genauso vor wie im Hochdeutschen (Wir gehen teita.) und ist vielleicht das Wort, an das sehr viele bei dem Wort „Kindersprache“ zuerst denken.
Mit Kinderwörtern spielt auch die Wirtschaft gelegentlich. So ist z.B. der Begriff „tut tut Baby Flitzer“ markenrechtlich geschützt.
Auch Verliebte greifen, insbesondere bei der Auswahl von Koseworten, gerne auf die Kindersprache zurück – das drückt besondere Vertrautheit aus. Dazu einige Beispiele für Koseworte mit erläuternden Zusätzen (Schnullerbacke, Puppenschnute, Schmusekater), Verkleinerungsformen (Knuddelchen, Schätzle, Schnubbelchen) oder verkindlichter Sprache (Puscheli, Schnurzelpurzel, Flauschibärchi).
Auch Tierlockrufe werden oft wie Wörter der Kindersprache mit Verdopplung gebildet: „Mießmieß!“ (Lockruf für Katzen), „Kodääkkodääk!“ oder „Hüsshüss!“ (Lockruf für Schweine), „Eek! Eek!“ (Lockruf für Eichhörnchen), „Kuupkuup!“ (Lockruf für Hühner), „Puttputt“ (Lockruf für Hühner) oder „Lämmlämm!“ (Lockruf für Schafe).
Wie bereits festgestellt, wird die Kindersprache nicht mehr gebraucht, wenn die Sprache den Status als Muttersprache verliert. In der Folge gerät die Kindersprache, die so gut wie nie eine Schriftsprache ist, in Vergessenheit. Im Zuge dieser Ereignisse gerät noch eine weitere Gruppe von Wörtern in Vergessenheit, nämlich die Wörter, die direkt mit der Kindheit zu tun haben.
Solche Wörter sind im Riesenbecker Platt beispielsweise „banklammern“ (Kindertoben), „pracheln“ (quengeln, Kinderbetteln), „gohnen“ (wortloses betteln durch erwartungsvolles Verhalten [fast immer auf Kinder bezogen], „schattken“ (toben, spielen [im Zusammenhang mit Erwachsenen auch: geschäftig arbeiten]) und „üttken“ (spielen).
Text-Fußnoten:
[1] Drüke Möhne, Band 3, Augustin Wibbelt, Edition Heckmann im Landwirtschaftsverlag, Hiltrup, 1997
[veröffentlicht im Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2023, S. 274]