Marianische Junggesellensodalität – Memoriale
Ein kleiner Schatz für Riesenbeck
Vermutlich kennt heute kaum noch ein Riesenbecker die „Marianische Junggesellensodalität in Riesenbeck“, die es von 1845 bis etwa 1945 gegeben hat. Diese katholische Bruderschaft, meist kurz „Sodalität“ genannt, hatte sich insbesondere die Marienverehrung auf die Fahne geschrieben. Wie viele andere Sodalitäten auch – es gab damals in fast jedem katholischen Ort eine Sodalität – entstand die Riesenbecker Sodalität in den Jahrzehnten nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, als die Kirche infolge der Säkularisation geschwächt war. Die Folge der Auflösung von Klöstern, Enteignung von Kirchengütern etc. war unter anderem die Gründung neuer Orden und das Aufblühen des uralten Sodalitäts-Gedankens, der auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. „Die Sodalitäten … haben den hohen Zweck, den Jünglingen und Männern eine zeitgemäße religiöse Bildung und Erziehung zu geben…“, heißt es im Memoriale, dem Dokumentationsbuch der Sodalität. Darüber hinaus aber hatten sie aber auch eine wichtige soziale Komponente, die ihrer Zeit weit voraus war.
Die Riesenbecker Sodalität wurde 1845 vom damaligen Pfarrer Püngel gestiftet. Er wurde nach der Gründung der erste Präses der Sodalität. Über die Gründung, den ersten Magistrat, die Verfassung, die Statuten, die Mitglieder und die Kassenrechnung wurde im Memoriale sorgfältig Buch geführt. Das Buch mit diesen Aufzeichnungen wurde von 1845 bis zur letzten Eintragung 1944 geführt.
Etwa 1970 wurde es in die Hände des Riesenbecker Dorfschullehrers Ewald Bäumer gegeben. Er und seine Frau Agnes verwahrten es gewissenhaft über viele Jahrzehnte, wofür ihnen Dank und Anerkennung gebührt. Nach ihrem Tod übergaben die Erben das Memoriale zu treuen Händen an Rudolf Averbeck, der es bereits aus den frühen 1970er Jahren kannte, als er einige Seiten für seine private Ahnenforschung kopierte. Das Memoriale enthält nämlich in der Mitgliederliste aufschlussreiche Informationen, die für Zwecke der Ahnenforschung – und damit auch allgemein für die Ortsgeschichte von Riesenbeck – von Interesse sind. So ist beispielsweise bei etlichen Mitgliedern vermerkt „verreiset nach Nordamerika“, und bei einigen wenigen der Nachtrag „zur See vermißt“.
Nach dem Erhalt des Buches besprachen Rudolf und Rita Averbeck das weitere Vorgehen mit Josef Keller und seiner Tochter Elisabeth Müller. Allen vier Mitgliedern des Heimatvereins Riesenbeck war vorab klar, dass das Buch langfristig gesichert werden musste.
Den ortsgeschichtlichen Wert des Buches erkannte Josef Keller sofort. Insbesondere der Vermerk „zur See vermißt“ erweckte sein Interesse. Da durch Kriegseinwirkungen viel Archivmaterial über Auswanderungen verloren gegangen war und in amerikanischen Unterlagen nur die dort angekommenen Auswanderer registriert wurden, gibt es heute gerade über viele vermisste Auswanderer kaum Unterlagen. Für Riesenbeck ist das Memoriale mit seinen Informationen schon von daher eine wichtige, möglicherweise sogar einzigartige historische Quelle.
Josef Keller stellte aber noch etwas fest: „Das Papier knistert.“ – ein Zeichen für das hohe Alter und die beginnende Zersetzung des Papiers. Auch der intensive Gebrauch des Buches über 100 Jahre hatte deutliche Spuren hinterlassen. Um es langfristig für die Nachwelt zu erhalten, nahmen Rita und Rudolf Averbeck Kontakt mit dem Bistumsarchiv in Münster auf. Gegen Ende März legten die Averbecks das Buch dort vor. Nach Einsichtnahme durch Dr. Mestrup, dem Leiter des Bistumsarchivs, wurde vereinbart, dass es an das Archiv übergeben, professionell in hoher Auflösung digitalisiert und neu gebunden werden sollte. Dr. Mestrup zeigte sich sehr erfreut darüber, das Buch in seinen Bestand aufnehmen zu dürfen. Mitte April erhielten Rita und Rudolf Averbeck einen Stick mit den vollständigen digitalen Daten des Memoriale. „Ich freue mich immer, wenn ich so einen Schatz bekomme.“, sagte Dr. Mestrup bei dieser Gelegenheit.
Sobald es die Corona-bedingten Einschränkungen zulassen und nach Abschluss der Bindearbeiten kann das Original im Bistumsarchiv in Münster eingesehen werden. Um Interessierten schon vorab digital einen Einblick in das Memoriale zu ermöglichen, kann es demnächst auch auf der Homepage der Averbecks (www.dat-moensterlaenner-platt.de) aufgerufen werden.
Inzwischen haben Rita und Rudolf Averbeck eine erste vollständige Übertragung der altdeutschen Handschrift in lateinische Schrift vorgenommen; diese wird z.Zt. von Josef Keller und Elisabeth Müller überarbeitet. Die Handschrift der „Secretaire“ der Sodalität ist, wie häufig bei alten Handschriften, teilweise schlecht lesbar, unter anderem, weil einige Schreiber ausgeprägte Schreibbesonderheiten (z.B. Großbuchstaben mitten in Wörtern) hatten. Außerdem kommt neben der altdeutschen Schrift auch Sütterlin vor, und das alles in ziemlich eingeschliffener, schneller Handschrift. Einige Wörter waren sogar für Josef Keller nicht lesbar, so dass auf die fachmännische Hilfe von Dr. Mestrup zurückgegriffen werden musste.
Die fertige Übertragung soll dann zusätzlich zu den digitalisierten Original-Seiten auf der Homepage eingestellt werden, so dass jeder das Buch leicht lesen kann.
Die inhaltliche Auswertung des Memoriale wird noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Nach Abschluss der Arbeiten soll dann ein abschließender Bericht veröffentlicht werden.
Folgende Information hat das Bistumsarchiv in Münster herausgegeben:
“Vor einigen Tagen wurde uns übrigens das restaurierte Memoriale der Marianischen Junggesellensodalität (1845) zurückgebracht. Man findet es nun im Bestand Pfarrarchiv Riesenbeck (Akte 233) bei uns im Bistumsarchiv.”
Nach vorheriger Anmeldung im Bistumsarchiv kann das Memoriale der Marianischen Junggesellensodalität (1845) eingesehen werden!
Wie oben erwähnt, sollte das Buch der Marianischen Junggesellensodalität eine Transkription erhalten. Diese Arbeiten sind nun abgeschlossen. Unten finden Sie die Übersetzung ebenfalls als Buch dargestellt.
Danksagung:
Die Bearbeitung der Altdeutschen – und Sütterlin-Schrift des Memoriale entpuppte sich als erheblich schwieriger und zeitaufwendiger als erwartet. Für die äußerst ausdauernde und kompetente Mitarbeit möchten wir uns ganz herzlich bei Josef Keller und seiner Tochter Elisabeth Müller bedanken. Ohne deren Mitarbeit wäre uns die Transkription in dieser Qualität nicht möglich gewesen.