Dat Plattdütschke

Heutiger Stand

Heute, im Jahr 2021, wird in Riesenbeck nur noch wenig Platt gesprochen. Die Altersgrenze liegt bei über 60 Jahren – Jüngere sprechen faktisch kein Platt mehr, und auch bei den 60 – 80-jährigen wird fast nur Hochdeutsch gesprochen. Nur in der Altersgruppe der über 80-jährigen hört man heute noch häufig Platt, meist in Gesprächen untereinander.

Entwicklung/Zahlen – Daten – Fakten

Die Verhältnisse in Riesenbeck unterscheiden sich kaum von denen in benachbarten Gemeinden, und so möchte ich hier auf einige im Jahr 2009 veröffentlichte Zahlen von Willi Untiet über das Ladbergener Platt hinweisen. Herr Untiet stellte fest, dass vor dem 2. Weltkrieg fast alle Ladbergener Platt sprachen, 2009 aber nur noch etwa 11 % (706 Personen). Der Rückgang begann zu Beginn des 2. Weltkrieges, als Evakuierte, Ausgebombte und Vertriebene nach Ladbergen kamen. Der Zuzug auswärtiger Neubürger in den folgenden Jahrzehnten verringerte den Anteil der Plattsprecher weiter, während gleichzeitig immer mehr Eltern nur noch untereinander, nicht aber mit den Kindern Platt sprachen. In der Ladbergener Untersuchung, die von Willi Untiet vom November 2008 bis März 2009 durchgeführt wurde, konnten, wie gesagt, nur 11 % Plattsprecher ermittelt werden. Dazu kamen 184 Personen, die zwar aktive Plattsprecher waren, aber nur wenig Gelegenheit zum Plattsprechen hatten. 147 Personen gaben an, Platt verstehen zu können (die Zahl dürfte aber deutlich höher gelegen haben). Berücksichtigt man, dass von den 706 Personen, die Plattdeutsch aktiv sprachen, gerade mal 65 unter 50 Jahre alt waren, dann kam Willi Untiet zu Recht für Ladbergen (und ich analog für Riesenbeck) zu dem Schluss, dass das Plattdeutsch in Ladbergen vom Aussterben bedroht ist („Heimatpflege in Westfalen“, Herausgeber: Westfälischer Heimatbund, 22. Jahrgang, 5-2009, Seite 28-29). Bei einem Besuch der Ladbergener Partnerstadt New Knoxville (Ohio), wohin im 19. Jahrhundert viele Ladbergener ausgewandert waren und wo heute noch sehr lebendig Ladbergener Platt gesprochen wird, zeigten sich viele der Gäste bestürzt darüber, dass man sich in Ladbergen kaum noch auf Platt unterhalten kann.

Ausblick

Zehn Jahre später bleibt anzumerken, dass zwar vieles für den Erhalt unseres Platt unternommen wird, aber der Erhalt für die Zukunft trotzdem schwerfallen dürfte. Was weg ist, ist weg. Vielleicht geht es unserem Platt einmal so wie unseren Fachwerkhäusern: erst wenn sie verschwunden sind bemerkt man, wie schön sie waren und wie sehr sie einem fehlen. Das hat viel mit Wertschätzung zu tun, die nicht selten erst kommt, wenn es zu spät ist. Ich erinnere mich an die 1960er Jahre, als in Riesenbeck für Feuerwehrübungen Fachwerkhäuser angezündet wurden…

Für das Überleben des Platt muss in allererster Linie die Bereitschaft da sein, diese Sprache zu sprechen. Diese Bereitschaft ist leider wenig erkennbar (bei den Riesenbeckern unter 60). Dabei ist Platt ein wichtiger Identitätsträger unserer münsterländischen Eigenart.

Anmerkungen zur IVZ-Kolumne “Kleine Plattdeutsche Wörterkunde Platdüütsk – Hochdeutsch”

(Autor: Klaus Werner Kahl)

von Rudolf Averbeck

Seit vielen Jahren wird in der Ibbenbürener Volkszeitung eine kleine Kolumne unter dem Titel „Platdüütsk – Hochdeutsch“ veröffentlicht. Dieser Titel ist meistens auf einer alten Schul-Schiefertafel über dem Artikel platziert, wobei die Schrift wie in weißer Kreide geschrieben auf der schwarzen Schieferfläche steht.

Dieses Logo steht für die Intention der Artikel: schulmäßige Information über plattdeutsche Wörter.

Plattdeutschkenner reiben sich allerdings bei fast jedem Artikel die Augen, denn was der Autor der Kolumne da in der IVZ verbreitet, das ist nicht selten eigenartig.

Plattdeutschkenner können falsche Übersetzungen erkennen und damit richtig einordnen. Viel schlimmer ist, dass auch Nichtkenner diese Artikel lesen und sie mangels besseren Wissens für bare Münze nehmen.

Ich denke da zum Beispiel an Kinder und Jugendliche, deren Interesse für Plattdeutsch durch die plattdeutschen Lesewettbewerbe geweckt wurde und die sich eine kleine Grundlage der plattdeutschen Sprache erarbeitet haben. Diese Leser können nicht ahnen, von welcher zweifelhaften Qualität die Artikel in der IVZ sind. Diese Leser gehen natürlich davon aus, dass das, was in der Zeitung steht, auch richtig ist. So wird bei diesen Lesern die plattdeutsche Sprache nach und nach verändert, meiner Meinung nach sogar verfälscht.

Als Privatmann, aber auch als Leiter des Fachbereichs Plattdeutsche Sprachpflege beim Kreisheimatbund Steinfurt und als Vorstandsmitglied der Augustin Wibbelt-Gesellschaft bedaure ich diese Artikel zutiefst. Über die gelegentlich gehörte Ansicht „Hauptsache, es steht überhaupt etwas Plattdeutsches in der Zeitung“ kann man trefflich streiten. Meine Meinung dazu ist glasklar: es kommt nicht darauf an, dass etwas in der Zeitung steht, sondern was in der Zeitung steht.

Sehen wir uns diese Kolumne einmal genauer an.

Als erstes fällt auf, dass die Schreibweise deutlich anders ist als üblich. Grundsätzlich wird das Münsterländer Platt seit jeher so geschrieben, dass es sich möglichst dicht an die hochdeutsche Schreibung anlehnt. Schon die plattdeutschen Märchen der Brüder Grimm sind so geschrieben.

Die Anlehnung an das Hochdeutsche hat den Vorteil, dass man keine besonderen Vorkenntnisse für das Lesen und Schreiben des Plattdeutschen benötigt. Damit ist diese Schreibweise auch besonders zum Erlernen der Sprache geeignet.

Das sieht der Autor der Kolumne ganz anders. Er vertritt faktisch die Meinung, dass die Schreibweise nach niederländischen Schreibprinzipien besser sei. Dabei hat sie den grundsätzlichen Nachteil, dass man umfangreiche Vorkenntnisse benötigt – wodurch sich diese Schreibweise insbesondere zum Erlernen der Sprache wenig eignet. Es ist (meines Wissens nach) die einzige Schreibweise einer Mundart, die nicht die Schreibweise der Hochsprache benutzt – daran zeigt sich die isolierte Position des Autors.

Die Schreibweise des Autors fällt durch Inkonsequenzen auf. Das hochdeutsche „Korb“ schreibt er beispielsweise ohne “r“„Kuof“ (statt des üblichen „Kuorf“), das hochdeutsche „Nase“ schreibt er dagegen mit einem eingefügten „r“ als „Niërse“. Diese Inkonsequenzen erschweren die Wiedererkennung von Wörtern.

Mit der Schreibweise des Autors hat sich Albert Rüschenschmidt ausführlich auseinandergesetzt. Im Rahmen einer Buchbesprechung (veröffentlicht in der „Heimatpflege Westfalen” 03/2010) über das „Naokieksel“ des Autors hat er viele Schwächen und Nachteile herausgearbeitet. Diese Buchbesprechung ist so interessant, dass ich sie im Anhang zu diesem Artikel anfüge [Anlage 1].

Schwer nachvollziehbar ist für mich, dass die IVZ diese Schreibweise durch die regelmäßigen Veröffentlichungen unterstützt. Ich denke, dass das für unser Platt nicht förderlich ist. Für sachliche und objektiv fundierte Kritik hat die IVZ leider kein offenes Ohr.

Zu den Grundprinzipien der plattdeutschen Schreibweise haben sich schon sehr viele Plattdeutschkenner geäußert. Als Beispiel habe ich Ausarbeitungen von Richard Schmieding und Rainer Schepper auf unsere Homepage unter „Dat Plattdütschke“ „plattdeutsche Rechtschreibung“ eingestellt.

Über den Schreibstil des Autors kann man geteilter Meinung sein; ich finde ihn wenig elegant, ja sogar holprig.

Nun aber zum eigentlichen Ärgernis: die in den Artikeln schulmeisterlich vorgetragenen plattdeutschen Wörter. Ich werde im Folgenden einige Wörter aufführen, die offensichtlich sehr merkwürdig aus dem Hochdeutschen ins Plattdeutsche übertragen wurden.

Dazu möchte ich vorab anmerken: wenn in der IVZ vom Autor ein plattdeutsches Wort vorgetragen wird, dann muss dieses Wort auch in unserer Region üblich (regionaltypisch) sein. Wenn dieses Wort bei uns unbekannt, aber in anderen Regionen geläufig ist, dann hat diese Übersetzung in der IVZ nichts zu suchen. Schließlich ist eine plattdeutsche Kolumne in der IVZ auf das Erscheinungsgebiet der IVZ bezogen und muss daher zwingend das hier regionaltypische Platt darstellen.

Dazu ein konkretes Beispiel: in der IVZ vom 12.11.2020 stand ein Artikel des Autors unter der Überschrift „Das Wort ‚wassen‘“. Dort schrieb er: „Günstig für das Wachstum – dat Wasdoom – ist warmes, feuchtes Wetter …“ Das Wort „Wasdoom“ war mir nicht bekannt (in Riesenbeck heißt Wachstum „Graie“). Da aber bekanntlich das plattdeutsche Vokabular von Ort zu Ort variieren kann, konnte ich nicht ausschließen, dass dieses Wort z.B. in Dreierwalde oder Laggenbeck geläufig ist. Eine telefonische Umfrage bei einigen „Gewährsleuten“ machte schnell klar, dass das Wort im Verbreitungsgebiet der IVZ ebenfalls nicht bekannt ist. Das Westfälische Wörterbuch belegt sowohl Wassdom ‚Wachstum‘ als auch Wass ‚Wuchs, Wachstum‘ [nur aus Ostwestfalen], beides aber nur verstreut. Beide Wörter werden also verwendet, wenn auch nicht verbreitet.

Mit anderen Worten: als Übersetzung für das Wort „Wachstum“ wird vom Autor in der IVZ das in Ostwestfalen gelegentlich vorkommende Wort „Wasdoom“ verbreitet – statt des lokaltypischen „Graie“. Für mich ist klar: „Wasdoom“ ist ein gebietsfremdes Wort und gehört damit nicht in einen Artikel der IVZ. Anmerkung: ich bin später bei Walter Born „Kleines Wörterbuch des Münsterländer Platt“ fündig geworden. Dort steht nämlich „Wasdom Wachstum“ – fälschlicherweise. Vermutlich liegt hier die Quelle, aus der der Autor Dr. Klaus Werner Kahl das Wort „Wassdom“ geschöpft hat. Das „Kleine Wörterbuch des Münsterländer Platt“ von Walter Born hat er ja bekanntlich (fast) komplett abgeschrieben und in seinem „Wörterbuch des Münsterländer Platt“ übernommen.

Dummerweise einschließlich der Fehler, die Walter Born unterlaufen waren – und auch, ohne Walter Born als Quelle zu benennen. Das nennt man, wenn ich mich nicht täusche, Plagiat. Und das geht überhaupt nicht; solche Verstöße gegen das Urheberrecht werden z.B. in Doktorarbeiten mit der Aberkennung des Titels geahndet, und zwar völlig zu Recht! Ein weiterer Fehler Borns, den Kahl abgeschrieben und in sein Wörterbuch eingefügt hat, ist das Wort „Daudenangst“ statt richtig „Daudesangst“. [Enthüllt wurden diese aufschlussreichen Fakten von Dr. Christian Fischer in einer Buchbesprechung über das „Wörterbuch des Münsterländer Platt“ des Autors (veröffentlicht in „Heimatpflege Westfalen 5/2001“ [Anlage 2])]. Eine weitere Buchbesprechung von Dr. Christian Fischer, nämlich über das „Naokieksel“ des Autors (veröffentlicht im „Jahrbuch 27 – 2011 der Augustin Wibbelt-Gesellschaft“ [Anlagen 3]), ist ebenfalls dermaßen lesenswert, dass ich sie an diesen Artikel anhänge.

Der Autor scheint überhaupt gerne in sein (weitgehend abgeschriebenes Wörterbuch) zu schauen. So schreibt er z.B. am 21.04.2021 „Riängendruopen“ für Regentropfen [Anm.: Walter Born, Kleines Wörterbuch des Münsterländer Platt: „Riängendruopen Regentropfen“]. Ein Blick in „Dat Mönsterlänner Platt – Wörterbuch“ von Rudolf und Rita Averbeck schafft Klarheit über das Wort: „Druopen (Pl = Sgl) {F, V} m Tropfen; [R: Drüppen}{V auch: Droppen}“. Mit anderen Worten: das Wort Druopen (Plural: ebenfalls Druopen) ist ein maskulines Wort aus Vorhelm und Füchtorf, also aus dem Süden und Osten des Münsterlandes. In Riesenbeck sagt man Drüppen, in Vorhelm auch alternativ Droppen. Mit anderen Worten: in unserer Gegend kommt das Wort „Druopen“ gar nicht vor.

Dass der Autor Wörter aus anderen Regionen verwendet und hier als einheimisches Platt verbreitet, dafür gibt es in seinen Veröffentlichungen viele weitere Beispiele.

Das hochdeutsche „dann“ übersetzt der Autor mit „dän“ – „denn“ ist Ostwestfälisch. Bei uns heißt es wie im Hochdeutschen „dann“.

„Giëfsel“ (= Gabe) ist laut Westfälischem Wörterbuch für Coesfeld nachgewiesen, bei uns gibt es das Wort nicht [Anm.: Mitgift heißt bei uns Mitgiëfsel].

„Drinkenswerk“ gibt es überhaupt nicht, „Drinkwerk“ ist für Ostwestfalen belegt, bei uns gibt es das Wort gar nicht.

„christen“ (= taufen) ist nur für Soest und Iserlohn belegt, bei uns gibt es das Wort gar nicht.

In seiner Veröffentlichung vom 02.07.2014 („Das Wort ‚Breew‘“) schreibt er z.B. Folgendes: „… und nicht nur einfach in den Briefkasten werfen, in de Breewklap smiten.“ Mal abgesehen davon, dass man in Riesenbeck nicht „Breefklapp“, sondern „Breefkasten“ sagt (in anderen Orten des Tecklenburger Landes wäre „Breefklappe“ zumindest theoretisch denkbar) – eines gibt es im Tecklenburger Land ganz sicher nicht: die um das „e“ verkürzte Endsilbe (e-Apokope) [Anm.: die e-Apokope ist nachgewiesen für ST, COE, AH, MS, Beckum, aber nicht für TE]: „Klap“. Bei uns heißt es immer „Klappe“. Die verkürzte Endsilbe ist geradezu typisch für Orte im südwestlichen Münsterland, z.B. in Billerbeck. Diese verkürzten Endsilben habe ich oft z.B. bei Prof. Dr. Josef Vasthoff gehört. Kurzum: wenn der Autor „Briefklappe“ mit “Breewklap“ übersetzt, dann verwendet er hier ein regionaluntypisches Wort in einer regionaluntypischen Aussprachevariante. Für mich ist das für das Tecklenburger Land unter den gegebenen Umständen ein Fall von Sprachveränderung, wenn nicht sogar Sprachverfälschung.

Regionaluntypisch verkürzte Endsilben kommen beim Autor häufig vor – und sie alle haben meiner Meinung nach nichts in einer belehrenden Plattdeutschrubrik in der IVZ zu suchen.

Beispiele für verkürzte Endsilben:

Müelenbiëk (= Mühlenbach, IVZ 12.09.2014; richtig: Müehlenbiëke);

Koffimüel (= Kaffeemühle, IVZ 12.09.2014; richtig: Kaffeemüehle) [Die Behauptung, dass Kaffeemühlen wegen der hohen Kaffeepreise auch „Bankrotmüelken“ genannt wurden, halte ich für abwegig; für Riesenbeck ist sie definitiv falsch.];

Klapsmüel (= Klapsmühle, Irrenanstalt, IVZ 12.09.2014; richtig: Klapsmüehle);

Äer (= Erde, IVZ 21.04.2021; richtig: Äre)

Hiëmelspaort (= Himmelspforte, IVZ 15.04.2021; richtig: Himmelspaorte)

Meddagssun (= Mittagssonne, IVZ 20.02.2021; richtig: Meddaggssunne)

Summersun (= Sommersonne, IVZ 20.02.2021; richtig: Sommersunne)

Uompiep (= Ofenrohr, IVZ 9.01.2021; richtig: Uompiepe)

Siet (= Seite, IVZ 17.03.2021; richtig: Siete)

Füörsterkunt (= Frostempfindlicher, IVZ vom 15.12.2020; richtig: Füörsterkunte [Wort bei uns unbekannt, steht in Walter Borns „Kleinem Wörterbuch”])

aon (= ohne, IVZ 23.09.2020; richtig: ohne)

Neben regionaluntypischen (und damit für unsere Region unkorrekten) Übersetzungen gibt es ein weiteres, sehr gravierendes Ärgernis in den Artikeln des Autors: Wörter, die es überhaupt nicht gibt (auch anderswo nicht), Wörter, die sich offensichtlich irgendjemand (der Autor?) schlichten Weges ausdenkt. Dabei handelt es sich fast immer um Komposita (Wortzusammensetzungen).

Ich kann natürlich nicht ganz ausschließen, dass es irgendwo jemanden gibt, der solche Wortkreationen verwendet – Plattdeutsch ist schließlich noch eine lebendige Sprache; aber deswegen sind es noch lange keine üblichen plattdeutschen Wörter, die als allgemeingültige Übersetzungen in der IVZ stehen dürfen.

Solche Wörter sind z.B. „Hüülbessen“ = Staubsauger, „Dwiärsmüel“ = Hubschrauber, „Treckerdriewer“ = Treckerfahrer, „Muulchrist“ (= schlechter Christ), „Kieklok“ = „Pupille“ oder „Malmüelen“ = schnelldrehendes Karussell. Wie sollen Plattdeutschinteressenten, die diese Wörter in der IVZ lesen, erkennen, dass es diese Wörter gar nicht als Standardvokabeln gibt?

Auf die Spitze treibt es der Autor mit einem Wort, das er wie selbstverständlich in seinen Kursunterlagen verwendet: das Wort „Derk“. Damit bezeichnet er wohl einen Scherz oder einen Witz. Das Wort „Derk“ habe ich nie gehört, auch meine „Gewährsleute“ kennen das Wort nicht. Ich erinnere mich an das Kopfschütteln von Prof. Dr. Taubken und dem übrigen Vorstand der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft. Für die Wörter „Derk“, … und „Treckerdriewer“ finden sich übrigens keine Belege im Archiv des Westfälischen Wörterbuchs.

Hier noch eine kleine Auflistung von Sprachverbiegungen (um nicht zu sagen Sprachverfälschungen) teilweise mit Angabe des Veröffentlichungsdatums in der IVZ (und ggf. Angabe des korrekten plattdeutschen Wortes in Riesenbeck):

IVZ am … Autor Übersetzung Riesenbecker Platt
Küerknuoken Telefon Telefon, Telefonhäörer
Daudskist Sarg Sarg
Daudenangst Todesangst Daudesangst
12.09.2014 Dwiärsmüel Hubschrauber
12.09.2014 Malmüelen Karussel (schnelldrehend)
Derk Witz
Treckerdriewer Treckerfahrer
Diskriäker Computer
12.09.2014 Winnemüel Windmühlen Windmüehle
12.09.2014 Koffimüel Kaffeemühle Kaffeemüehle
12.09.2014 Bankrotmüelken Kaffeemühle (weil Kaffee so teuer ist)
12.09.2014 Strommüelen Windmühlen (Strom) Windmüehlen
02.07.2014 Riäkerbreewe E-Mails E-Mails
02.07.2014 Pullenbreew Flaschenpost
12.11.2020 Was Wuchs Graië
12.11.2020 Wasdoom Wachstum Graië
12.11.2020 Wasdoomswiär gutes Wachstumswetter wössig Wiär
12.11.2020 Lütten Kleinen (kleine Kinder) Lüttken
12.11.2020 Halwwassen halbwüchsig halfwössig
12.11.2020 Vulwassene Volljährige Vulljäöhrige
21.04.2021 Riängenwulken Regenwolken Riängenwolken
21.04.2021 Äer Erde Äre
21.04.2021 Riängendruopen Regentropfen Riängendrüppen
21.04.2021 Riängenfiäter Regenfässer Riängenfätter
15.04.2021 Hiëmel Himmel Himmel
15.04.2021 hiëmelblao himmelblau himmelblau
15.04.2021 Wulkenhiëmel Wolkenhimmel (Wolkenhimmel)
15.04.2021 Stäänhiëmel Sternenhimmel Stärn´himmel
15.04.2021 Vüörsmaak Vorgeschmack Vörgeschmack
20.02.2021 Meddagssun Mittagssonne Meddaggssunne
20.02.2021 Summersun Sommersonne Sommersunne
02.03.2021 Tuun Zaun Tuunt
09.01.2021 Uompiep Ofenrohr Uompiepe
09.01.2021 Drailokuom Küchenherd mit 3 Platten Dreiplattenhärd
09.01.2021 möde müde möhe
23.03.2021 Tweespänners Ehepaare Ehepaare
25.02.2021 naidig nötig neirig
09.03.2021 losläggen loslegen lössleggen
09.03.2021 upröggen aufregen upregen
17.03.2021 Katen Karten Karten
17.03.2021 dän dann dann
17.03.2021 Pläöne Pläne Pläne
17.03.2021 vüörläggen vorlegen vörleggen
13.05.2021 vüör vor vör
13.05.2021 Vüörsülwe Vorsilbe Vörsilbe
13.05.2021 Büks Hose Buckse
07.09.2020 Drinkenswerk Getränke wat te drinken
07.09.2020 Drinkfier Trinkfeier
15.12.2020 Fuorstköttel Frostempfindlicher Fuorsteküedel
15.12.2020 Wäters Gewässer Waterlöcker etc.
15.12.2020 gaas ganz ganz
09.04.2021 Witköppe alte Menschen olle Lüe
09.04.2021 witkaist sehr blass im Gesicht kriedewitt
09.04.2021 witsnüütsk sehr blass im Gesicht
09.04.2021 Witkaise Quark Quark
09.04.2021 Witmiäl Weizenmehl Weidenmiähl
09.04.2021 Aiwitsel Eiweiß Eiwitt
09.04.2021 Böcke Buche Böke
09.04.2021 Blöte Blüte Blüte
23.09.2020 Laundainers Leiharbeiter (?)

Anmerkungen zur IVZ-Kolumne “Kleine Plattdeutsche Wörterkunde Platdüütsk – Hochdeutsch”

(Autor: Klaus Werner Kahl)

von Rudolf Averbeck

Seit vielen Jahren wird in der Ibbenbürener Volkszeitung eine kleine Kolumne unter dem Titel „Platdüütsk – Hochdeutsch“ veröffentlicht. Dieser Titel ist meistens auf einer alten Schul-Schiefertafel über dem Artikel platziert, wobei die Schrift wie in weißer Kreide geschrieben auf der schwarzen Schieferfläche steht.

Dieses Logo steht für die Intention der Artikel: schulmäßige Information über plattdeutsche Wörter.

Plattdeutschkenner reiben sich allerdings bei fast jedem Artikel die Augen, denn was der Autor der Kolumne da in der IVZ verbreitet, das ist nicht selten eigenartig.

Plattdeutschkenner können falsche Übersetzungen erkennen und damit richtig einordnen. Viel schlimmer ist, dass auch Nichtkenner diese Artikel lesen und sie mangels besseren Wissens für bare Münze nehmen.

Ich denke da zum Beispiel an Kinder und Jugendliche, deren Interesse für Plattdeutsch durch die plattdeutschen Lesewettbewerbe geweckt wurde und die sich eine kleine Grundlage der plattdeutschen Sprache erarbeitet haben. Diese Leser können nicht ahnen, von welcher zweifelhaften Qualität die Artikel in der IVZ sind. Diese Leser gehen natürlich davon aus, dass das, was in der Zeitung steht, auch richtig ist. So wird bei diesen Lesern die plattdeutsche Sprache nach und nach verändert, meiner Meinung nach sogar verfälscht.

Als Privatmann, aber auch als Leiter des Fachbereichs Plattdeutsche Sprachpflege beim Kreisheimatbund Steinfurt und als Vorstandsmitglied der Augustin Wibbelt-Gesellschaft bedaure ich diese Artikel zutiefst. Über die gelegentlich gehörte Ansicht „Hauptsache, es steht überhaupt etwas Plattdeutsches in der Zeitung“ kann man trefflich streiten. Meine Meinung dazu ist glasklar: es kommt nicht darauf an, dass etwas in der Zeitung steht, sondern was in der Zeitung steht.

Sehen wir uns diese Kolumne einmal genauer an.

Als erstes fällt auf, dass die Schreibweise deutlich anders ist als üblich. Grundsätzlich wird das Münsterländer Platt seit jeher so geschrieben, dass es sich möglichst dicht an die hochdeutsche Schreibung anlehnt. Schon die plattdeutschen Märchen der Brüder Grimm sind so geschrieben.

Die Anlehnung an das Hochdeutsche hat den Vorteil, dass man keine besonderen Vorkenntnisse für das Lesen und Schreiben des Plattdeutschen benötigt. Damit ist diese Schreibweise auch besonders zum Erlernen der Sprache geeignet.

Das sieht der Autor der Kolumne ganz anders. Er vertritt die Meinung, dass die Schreibweise nach niederländischen Schreibprinzipien besser sei. Dabei hat sie den grundsätzlichen Nachteil, dass man umfangreiche Vorkenntnisse benötigt – wodurch sich diese Schreibweise insbesondere zum Erlernen der Sprache wenig eignet. Es ist (meines Wissens nach) die einzige Schreibweise einer Mundart, die nicht die Schreibweise der Hochsprache benutzt – daran zeigt sich die isolierte Position des Autors.

Die Schreibweise des Autors fällt durch Inkonsequenzen auf. Das hochdeutsche „Korb“ schreibt er beispielsweise ohne “r“„Kuof“ (statt des üblichen „Kuorf“), das hochdeutsche „Nase“ schreibt er dagegen mit einem eingefügten „r“ als „Niërse“. Diese Inkonsequenzen erschweren die Wiedererkennung von Wörtern.

Mit der Schreibweise des Autors hat sich Albert Rüschenschmidt ausführlich auseinandergesetzt. Im Rahmen einer Buchbesprechung (veröffentlicht in der „Heimatpflege Westfalen 03/2010) über das „Naokieksel“ des Autors hat er viele Schwächen und Nachteile herausgearbeitet. Diese Buchbesprechung ist so interessant, dass ich sie im Anhang zu diesem Artikel anfüge [Anlage 1].

Schwer nachvollziehbar ist für mich, dass die IVZ diese Schreibweise durch die regelmäßigen Veröffentlichungen unterstützt. Ich denke, dass das für unser Platt nicht förderlich ist. Für sachliche und objektiv fundierte Kritik hat die IVZ leider kein offenes Ohr.

Zu den Grundprinzipien der plattdeutschen Schreibweise haben sich schon sehr viele Plattdeutschkenner geäußert. Als Beispiel habe ich Ausarbeitungen von Richard Schmieding und Rainer Schepper auf unsere Homepage unter „Dat Plattdütschke“ „plattdeutsche Rechtschreibung“ eingestellt.

Über den Schreibstil des Autors kann man geteilter Meinung sein; ich finde ihn wenig elegant, ja sogar holprig.

Nun aber zum eigentlichen Ärgernis: die in den Artikeln schulmeisterlich vorgetragenen plattdeutschen Wörter. Ich werde im Folgenden einige Wörter aufführen, die offensichtlich sehr merkwürdig aus dem Hochdeutschen ins Plattdeutsche übertragen wurden.

Dazu möchte ich vorab anmerken: wenn in der IVZ vom Autor ein plattdeutsches Wort vorgetragen wird, dann muss dieses Wort auch in unserer Region üblich (regionaltypisch) sein. Wenn dieses Wort bei uns unbekannt, aber in anderen Regionen geläufig ist, dann hat diese Übersetzung in der IVZ nichts zu suchen. Schließlich ist eine plattdeutsche Kolumne in der IVZ auf das Erscheinungsgebiet der IVZ bezogen und muss daher zwingend das hier regionaltypische Platt darstellen.

Dazu ein konkretes Beispiel: in der IVZ vom 12.11.2020 stand ein Artikel des Autors unter der Überschrift „Das Wort ‚wassen‘“. Dort schrieb er: „Günstig für das Wachstum – dat Wasdoom – ist warmes, feuchtes Wetter …“ Das Wort „Wasdoom“ war mir nicht bekannt (in Riesenbeck heißt Wachstum „Graie“). Da aber bekanntlich das plattdeutsche Vokabular von Ort zu Ort variieren kann, konnte ich nicht ausschließen, dass dieses Wort z.B. in Dreierwalde oder Laggenbeck geläufig ist. Eine telefonische Umfrage bei einigen „Gewährsleuten“ machte schnell klar, dass das Wort im Verbreitungsgebiet der IVZ ebenfalls nicht bekannt ist. Das Westfälische Wörterbuch belegt sowohl Wassdom ‚Wachstum‘ als auch Wass ‚Wuchs, Wachstum‘ [nur aus Ostwestfalen], beides aber nur verstreut. Beide Wörter werden also verwendet, wenn auch nicht verbreitet.

Mit anderen Worten: als Übersetzung für das Wort „Wachstum“ wird vom Autor in der IVZ das in Ostwestfalen gelegentlich vorkommende Wort „Wasdoom“ verbreitet – statt des lokaltypischen „Graie“. Für mich ist klar: „Wasdoom“ ist ein gebietsfremdes Wort und gehört damit nicht in einen Artikel der IVZ. [Anmerkung: ich bin später bei Walter Born „Kleines Wörterbuch des Münsterländer Platt“ fündig geworden. Dort steht nämlich „Wasdom Wachstum“ – fälschlicherweise. Vermutlich liegt hier die Quelle, aus der der Autor Dr. Klaus Werner Kahl das Wort „Wassdom“ geschöpft hat. Das „Kleine Wörterbuch des Münsterländer Platt“ von Walter Born hat er ja bekanntlich (fast) komplett abgeschrieben und in seinem „Wörterbuch des Münsterländer Platt“ übernommen.

Dummerweise einschließlich der Fehler, die Walter Born unterlaufen waren – und auch, ohne Walter Born als Quelle zu benennen. Das nennt man, wenn ich mich nicht täusche, Plagiat. Und das geht überhaupt nicht; solche Verstöße gegen das Urheberrecht werden z.B. in Doktorarbeiten mit der Aberkennung des Titels geahndet, und zwar völlig zu Recht! Ein weiterer Fehler Borns, den Kahl abgeschrieben und in sein Wörterbuch eingefügt hat, ist das Wort „Daudenangst“ statt richtig „Daudesangst“. [Enthüllt wurden diese aufschlussreichen Fakten von Dr. Christian Fischer in einer Buchbesprechung über das „Wörterbuch des Münsterländer Platt“ des Autors (veröffentlicht in „Heimatpflege Westfalen 5/2001“ [Anlage 2])]. Eine weitere Buchbesprechung von Dr. Christian Fischer, nämlich über das „Naokieksel“ des Autors (veröffentlicht im „Jahrbuch 27 – 2011 der Augustin Wibbelt-Gesellschaft“ [Anlagen 3]), ist ebenfalls dermaßen lesenswert, dass ich sie an diesen Artikel anhänge.

Der Autor scheint überhaupt gerne in sein (weitgehend abgeschriebenes Wörterbuch) zu schauen. So schreibt er z.B. am 21.04.2021 „Riängendruopen“ für Regentropfen [Anm.: Walter Born, Kleines Wörterbuch des Münsterländer Platt: „Riängendruopen Regentropfen“]. Ein Blick in „Dat Mönsterlänner Platt – Wörterbuch“ von Rudolf und Rita Averbeck schafft Klarheit über das Wort: „Druopen (Pl = Sgl) {F, V} m Tropfen; [R: Drüppen}{V auch: Droppen}“. Mit anderen Worten: das Wort Druopen (Plural: ebenfalls Druopen) ist ein maskulines Wort aus Vorhelm und Füchtorf, also aus dem Süden und Osten des Münsterlandes. In Riesenbeck sagt man Drüppen, in Vorhelm auch alternativ Droppen. Mit anderen Worten: in unserer Gegend kommt das Wort „Druopen“ gar nicht vor.

Dass der Autor Wörter aus anderen Regionen verwendet und hier als einheimisches Platt verbreitet, dafür gibt es in seinen Veröffentlichungen viele weitere Beispiele.

Das hochdeutsche „dann“ übersetzt der Autor mit „dän“ – „denn“ ist Ostwestfälisch. Bei uns heißt es wie im Hochdeutschen „dann“.

„Giëfsel“ (= Gabe) ist laut Westfälischem Wörterbuch für Coesfeld nachgewiesen, bei uns gibt es das Wort nicht [Anm.: Mitgift heißt bei uns Mitgiëfsel].

„Drinkenswerk“ gibt es überhaupt nicht, „Drinkwerk“ ist für Ostwestfalen belegt, bei uns gibt es das Wort gar nicht.

„christen“ (= taufen) ist nur für Soest und Iserlohn belegt, bei uns gibt es das Wort gar nicht.

In seiner Veröffentlichung vom 02.07.2014 („Das Wort ‚Breew‘“) schreibt er z.B. Folgendes: „… und nicht nur einfach in den Briefkasten werfen, in de Breewklap smiten.“ Mal abgesehen davon, dass man in Riesenbeck nicht „Breefklapp“, sondern „Breefkasten“ sagt (in anderen Orten des Tecklenburger Landes wäre „Breefklappe“ zumindest theoretisch denkbar) – eines gibt es im Tecklenburger Land ganz sicher nicht: die um das „e“ verkürzte Endsilbe (e-Apokope) [Anm.: die e-Apokope ist nachgewiesen für ST, COE, AH, MS, Beckum, aber nicht für TE]: „Klap“. Bei uns heißt es immer „Klappe“. Die verkürzte Endsilbe ist geradezu typisch für Orte im südwestlichen Münsterland, z.B. in Billerbeck. Diese verkürzten Endsilben habe ich oft z.B. bei Prof. Dr. Josef Vasthoff gehört. Kurzum: wenn der Autor „Briefklappe“ mit Breewklap“ übersetzt, dann verwendet er hier ein regionaluntypisches Wort in einer regionaluntypischen Aussprachevariante. Für mich ist das für das Tecklenburger Land unter den gegebenen Umständen ein Fall von Sprachveränderung, wenn nicht sogar Sprachverfälschung.

Regionaluntypisch verkürzte Endsilben kommen beim Autor häufig vor – und sie alle haben meiner Meinung nach nichts in einer belehrenden Plattdeutschrubrik in der IVZ zu suchen.

Beispiele für verkürzte Endsilben:

Müelenbiëk (= Mühlenbach, IVZ 12.09.2014; richtig: Müehlenbiëke);

Koffimüel (= Kaffeemühle, IVZ 12.09.2014; richtig: Kaffeemüehle) [Die Behauptung, dass Kaffeemühlen wegen der hohen Kaffeepreise auch „Bankrotmüelken“ genannt wurden, halte ich für abwegig; für Riesenbeck ist sie definitiv falsch.];

Klapsmüel (= Klapsmühle, Irrenanstalt, IVZ 12.09.2014; richtig: Klapsmüehle);

Äer (= Erde, IVZ 21.04.2021; richtig: Äre)

Hiëmelspaort (= Himmelspforte, IVZ 15.04.2021; richtig: Himmelspaorte)

Meddagssun (= Mittagssonne, IVZ 20.02.2021; richtig: Meddaggssunne)

Summersun (= Sommersonne, IVZ 20.02.2021; richtig: Sommersunne)

Uompiep (= Ofenrohr, IVZ 9.01.2021; richtig: Uompiepe)

Siet (= Seite, IVZ 17.03.2021; richtig: Siete)

Füörsterkunt (= Frostempfindlicher, IVZ vom 15.12.2020; richtig: Füörsterkunte [Wort bei uns unbekannt, steht in Walter Borns „Kleinem Wörterbuch])

aon (= ohne, IVZ 23.09.2020; richtig: ohne)

Neben regionaluntypischen (und damit für unsere Region unkorrekten) Übersetzungen gibt es ein weiteres, sehr gravierendes Ärgernis in den Artikeln des Autors: Wörter, die es überhaupt nicht gibt (auch anderswo nicht), Wörter, die sich offensichtlich irgendjemand (der Autor?) schlichten Weges ausdenkt. Dabei handelt es sich fast immer um Komposita (Wortzusammensetzungen).

Ich kann natürlich nicht ganz ausschließen, dass es irgendwo jemanden gibt, der solche Wortkreationen verwendet – Plattdeutsch ist schließlich noch eine lebendige Sprache; aber deswegen sind es noch lange keine üblichen plattdeutschen Wörter, die als allgemeingültige Übersetzungen in der IVZ stehen dürfen.

Solche Wörter sind z.B. „Hüülbessen“ = Staubsauger, „Dwiärsmüel“ = Hubschrauber, „Treckerdriewer“ = Treckerfahrer, „Muulchrist“ (= schlechter Christ), „Kieklok“ = „Pupille“ oder „Malmüelen“ = schnelldrehendes Karussell. Wie sollen Plattdeutschinteressenten, die diese Wörter in der IVZ lesen, erkennen, dass es diese Wörter gar nicht als Standardvokabeln gibt?

Auf die Spitze treibt es der Autor mit einem Wort, das er wie selbstverständlich in seinen Kursunterlagen verwendet: das Wort „Derk“. Damit bezeichnet er wohl einen Scherz oder einen Witz. Das Wort „Derk“ habe ich nie gehört, auch meine „Gewährsleute“ kennen das Wort nicht. Ich erinnere mich an das Kopfschütteln von Prof. Dr. Taubken und dem übrigen Vorstand der Augustin-Wibbelt-Gesellschaft. Für die Wörter „Derk“, … und „Treckerdriewer“ finden sich übrigens keine Belege im Archiv des Westfälischen Wörterbuchs.

Hier noch eine kleine Auflistung von Sprachverbiegungen (um nicht zu sagen Sprachverfälschungen) mit Angabe des Veröffentlichungsdatums in der IVZ (und ggf. Angabe des korrekten plattdeutschen Wortes in Riesenbeck):

IVZ am … Autor Übersetzung Riesenbecker Platt
Küerknuoken Telefon Telefon, Telefonhäörer
Daudskist Sarg Sarg
Daudenangst Todesangst Daudesangst
12.09.2014 Dwiärsmüel Hubschrauber
12.09.2014 Malmüelen Karussel (schnelldrehend)
Derk Witz
Treckerdriewer Treckerfahrer
Diskriäker Computer
12.09.2014 Winnemüel Windmühlen Windmüehle
12.09.2014 Koffimüel Kaffeemühle Kaffeemüehle
12.09.2014 Bankrotmüelken Kaffeemühle (weil Kaffee so teuer ist)
12.09.2014 Strommüelen Windmühlen (Strom) Windmüehlen
02.07.2014 Riäkerbreewe E-Mails E-Mails
02.07.2014 Pullenbreew Flaschenpost
12.11.2020 Was Wuchs Graië
12.11.2020 Wasdoom Wachstum Graië
12.11.2020 Wasdoomswiär gutes Wachstumswetter wössig Wiär
12.11.2020 Lütten Kleinen (kleine Kinder) Lüttken
12.11.2020 Halwwassen halbwüchsig halfwössig
12.11.2020 Vulwassene Volljährige Vulljäöhrige
21.04.2021 Riängenwulken Regenwolken Riängenwolken
21.04.2021 Äer Erde Äre
21.04.2021 Riängendruopen Regentropfen Riängendrüppen
21.04.2021 Riängenfiäter Regenfässer Riängenfätter
15.04.2021 Hiëmel Himmel Himmel
15.04.2021 hiëmelblao himmelblau himmelblau
15.04.2021 Wulkenhiëmel Wolkenhimmel (Wolkenhimmel)
15.04.2021 Stäänhiëmel Sternenhimmel Stärn´himmel
15.04.2021 Vüörsmaak Vorgeschmack Vörgeschmack
20.02.2021 Meddagssun Mittagssonne Meddaggssunne
20.02.2021 Summersun Sommersonne Sommersunne
02.03.2021 Tuun Zaun Tuunt
09.01.2021 Uompiep Ofenrohr Uompiepe
09.01.2021 Drailokuom Küchenherd mit 3 Platten Dreiplattenhärd
09.01.2021 möde müde möhe
23.03.2021 Tweespänners Ehepaare Ehepaare
25.02.2021 naidig nötig neirig
09.03.2021 losläggen loglegen lössleggen
09.03.2021 upröggen aufregen upregen
17.03.2021 Katen Karten Karten
17.03.2021 dän dann dann
17.03.2021 Pläöne Pläne Pläne
17.03.2021 vüörläggen vorlegen vörleggen
13.05.2021 vüör vor vör
13.05.2021 Vüörsülwe Vorsilbe Vörsilbe
13.05.2021 Büks Hose Buckse
07.09.2020 Drinkenswerk Getränke wat te drinken
07.09.2020 Drinkfier Trinkfeier
15.12.2020 Fuorstköttel Frostempfindlicher Fuorsteküedel
15.12.2020 Wäters Gewässer Waterlöcker etc.
15.12.2020 gaas ganz ganz
09.04.2021 Witköppe alte Menschen olle Lüe
09.04.2021 witkaist sehr blass im Gesicht kriedewitt
09.04.2021 witsnüütsk sehr blass im Gesicht
09.04.2021 Witkaise Quark Quark
09.04.2021 Witmiäl Weizenmehl Weidenmiähl
09.04.2021 Aiwitsel Eiweiß Eiwitt
09.04.2021 Böcke Buche Böke
09.04.2021 Blöte Blüte Blüte
23.09.2020 Laundainers Leiharbeiter (?)
Anlage 1: Albert Rüschenschmidt: Buchbesprechung “Naokieksel”
Anlage 2: Dr. Christian Fischer: Buchbesprechung “Wörterbuch des Münsterländer Platt”
Anlage 3: Dr. Christian Fischer: Buchbesprechung “Naokieksel”