Literarische Texte – HumorBrüggenbau

Brüggenbau (vön Rudolf Averbeck)

Brückenbau (von Rudolf Averbeck)

Hauch buom in ’n Naorden vön uese Mönsterland giff et eene Biëke, de bie Brochterbiëck un Tiäckenburg mitten tüschken de Biärge vön denn Teutoburger Wald entsprink. Se flütt 33,9 km düör Brochterbiëck, Dörenthe, Riesenbiëck, Biäwergärn un Rheine un mündet dann up de rechte Siete in de Iëmse.

Hoch oben im Norden unseres Münsterlandes gibt es einen Bach, der bei Brochterbeck und Tecklenburg mitten zwischen den Bergen des Teutoburger Waldes entspringt. Er fließt 33,9 km durch Brochterbeck, Dörenthe, Riesenbeck, Bevergern und Rheine und mündet dann auf der rechten Seite in die Ems.

Düsse Biëke, well dao bie Brochterbiëck denn Teuto runnerflütt, hett „Flöthe“.

Dieser Bach, der bei Brochterbeck den Teuto runterfließt, heißt „Flöthe“.

Nao iähre iärsten paar Kilometers mott se düör eenen Düker unner denn Dortmund-Ems-Kanaol drunnerhiär.

Nach seinen ersten paar Kilometern muss er durch einen Düker unter den Dortmund-Ems-Kanal drunterher.

Un batzkedie!  Is de Flöthe auk all düör Brochterbiëck un Dörnthe düör. Up de ännern Siete vön denn Kanaol fänk nämmlick all Riesenbiëck an.

Und batzkedie! Ist die Flöthe auch schon durch Brochterbeck und Dörenthe durch. Auf der anderen Seite des Kanals fängt nämlich schon Riesenbeck an.

Äs iärstes krigg se up de ännern Siete ’n ännern Namen un hett af hier nich men „Flöthe“, sonnern „Flüett“. De Name „Flöthe“ in Brochterbiëck magg ja theoretischk wat mit „fleiten“ up eene Fleitpiepe te doon häbben (waohrschienlick aower nich) – de Name „Flötte“ in Riesenbiëck häff ganz sicher wat mit dat Fleiten vön Water te doon, so äs sick dat för eene Biëke gehäört.

Als erstes bekommt sie auf der anderen Seite einen anderen Namen und heißt von hier an nicht mehr „Flöthe“, sondern „Flötte“. Der Name „Flöthe“ in Brochterbeck mag ja theoretisch was mit „flöten“ auf einer Flöte zu tun haben (wahrscheinlich aber nicht) – der Name „Flötte“ in Riesenbeck hat ganz sicher was mit dem Fließen von Wasser zu tun, so wie es sich für einen Bach gehört.

In Riesenbiëck flütt de Flüett düör Haverforths Wieschken (wat vöndage een wietlöftiget Naturschutzgebiet mit dat gröttste Tütenvörkuemmen in Dütschkland is) un daonao ganz dicht an de Surenburg vön uesen Baron Constantin Freiherr vön Heereman vörbie.

In Riesenbeck fließt die Flötte durch Haverforths Wiesen (die heute ein ausgedehntes Naturschutzgebiet mit dem größten Große-Brachvogel-Vorkommen in Deutschland sind) und danach ganz nah an der Surenburg von unserem Baron Constantin Freiherr von Heereman vorbei.

Un batzkedie! Is de Flüett auk all düör Riesenbiëck düör un flütt nao Biäwergärn rin.

Und batzkedie! Ist die Flötte auch schon durch Riesenbeck durch und fließt nach Bevergern rein.

Äs iärstes krigg ’e up de ännern Siete ’n ännern Namen un hett af hier nich men „Flüett“, sonnern  „Biäwergärnske Ao“. Se flütt an de Aoltstadt vön Biäwergärn vörbie (fröher auk rund üm de Biäwergärnske Burg, well ja ledergotts vön denn mönstersken Bischkup an ’n Grund halt wurden is, wat de Biäwergärnsken bis vöndage nich vergiäten häbbt), un ächter Biäwergärn an denn Saltenhoff vörbie, well vön denn Stabschef der SA, Viktor Lutze, bauet wurden is.

Als erstes bekommt sie auf der anderen Seite einen anderen Namen und heißt ab hier nicht mehr „Flötte“ sondern „Bevergerner Aa“. Sie fließt an der Altstadt von Bevergern vorbei (früher auch um die Bevergerner Burg herum, die ja leider Gottes vom münsterschen Bischof abgerissen worden ist, was die Bevergerner bis heute nicht vergessen haben), und hinter Bevergern am Salthof vorbei, der vom Stabschef der SA, Viktor Lutze, gebaut worden ist.

Kuort ächter denn Saltenhoff ligg ‘e dann auk begrafft, up eene künstlicke Insel, un de Biäwergärnske Ao flütt üm sien Graff ümto, weinigstens bie Hauchwater.

Kurz hinter dem Saltenhof liegt er dann auch begraben, auf einer künstlichen Insel, und die Bevergerner Aa fließt um sein Grab herum, zumindest bei Hochwasser.

Un batzkedie! Is de Biäwergärnske Ao auk all düör Biäwergärn düör un flütt nao Rheine rin.

Und baktzeki! Ist die Bevergerner Aa auch schon durch Bevergern durch und fließt nach Rheine herein.

Äs iärstes krigg se up de ännern Siete ’n ännern Namen (mittlerwiele to ’t veerte Maol!) un hett nu „Hemelter Bach“. Unner düssen Namen flütt se nu düör denn Stadtpark, an de Hemelter Müëhle vörbie un dann in de Iëmse rin, nao 33,9 km.

Als erstes bekommt sie auf der anderen Seite einen anderen Namen (mittlerweile zum vierten Mal!) und heißt nun „Hemelter Bach“. Unter diesem Namen fließt sie nun durch den Stadtpark, an der Hemelter Mühle vorbei und dann in die Ems hinein, nach 33,9 km.

Dat ganze würd ja nu nicheenen wieders intresseern, wenn nich mien Onkel Paul up Riesenbiëcksen Grund, mitten in Haverforths Wieschken, vön ollers hiär eene Wieschke hatt hadde. De lagg up de Riesenbiëckske Siete un daomit up de Naordsiete vön denn Flüett. Südlick vön denn Flüett is Saorbiëcksken Grund.

Das ganze würde ja jetzt keinen weiter interessieren, wenn nicht mein Onkel Paul auf Riesenbecker Grund, mitten in Haverforths Wiesen, von alters her eine Wiese gehabt hätte. Die lag auf der Riesenbecker Seite und damit auf der Nordseite von der Flötte. Südlich der Flötte ist Saerbecker Grund.

Mitte vön de 1960-er Jaohre gaff et nu för mienen Onkel Paul eene guede Geliägenheit, sick eene Wieschke up de Saorbiëckske Siete totekaupen, un dat jüst kiëgenüöwer vön siene eegene. He hadde nu eene richtig graude Wieschke – un mittendüör flüött de Flüett. De Wegg üöwer denn Saerbiëcker Damm nao de Südwieschke wäör wiet un ümständlick te föhern.

Mitte der 1960-er Jahre gab es nun für meinen Onkel Paul eine gute Gelegenheit, sich eine Wiese auf der Saerbecker Seite zuzukaufen, und das genau gegenüber von seiner eigenen. Er hatte nun eine richtig große Wiese – und mittendurch floss die Flötte. Der Weg über den Saerbecker Damm zur Südwiese war weit und umständlich zu fahren.

Et duerde kinne fief Jaohr, dao lagg bie mienen Onkel Paul up ’n Küekendischk de Baugeniëhmigung för eene eegene Brügge üöwer denn Flüett. Un daomit fänk mien kleinet Vertällsel eegentlick iärst an.

Es dauerte keine fünf Jahre, da lag bei meinem Onkel Paul auf dem Küchentisch die Baugenehmigung für eine eigene Brücke über die Flötte. Und damit fängt meine kleine Geschichte eigentlich erst an.

Uese Pa (dat is mien Vadder) un Onkel Paul hadden de Wiäke vördem all dat Fundament för de niëe Brügge üöwer ‘n Flüett guoten. Äs naichstet soll nu de Verschalung för de Brügge timmert wärn.

Unser Pa (das ist mein Vater) und Onkel Paul hatten in der Woche vorher schon das Fundament für die neue Brücke über die Flötte gegossen. Als nächstes sollte jetzt die Verschalung für die Brücke gezimmert werden.

De Nacht vüördem hadde et guoten äs ut Emmers, in de Wieschken up beide Sieten vön ‘e niëe Brügge stönd dat Water, un et hadde nicks feihlt, un Onkel Pauls Trecker hadde sick fasteföhert. De Wieschken dampeden in ‘e upstiegende Sunne, un de Arbeit schüöt guet an. För ‘n Fröhjaohrsdagg, so tüschken saien un maihen, was dat ‘n helle warmen Dagg, de Lorenz brannde iähr up ‘t Fell, un de beiden schweet’en üörntlick.

Die Nacht vorher hatte es gegossen wie aus Eimern, in den Wiesen auf beiden Seiten der neuen Brücke stand das Wasser, und es hätte nichts gefehlt, und Onkel Pauls Trecker hätte sich festgefahren. Die Wiesen dampften in der aufsteigenden Sonne, und die Arbeit schritt gut voran. Für einen Frühjahrstag, so zwischen säen und mähen, war dies ein sehr warmer Tag, die Sonne brannte ihnen aufs Fell, und die beiden schwitzten ordentlich.

Et gaff ‘n guet Fröhstück, so äs Buern dat mitniëhmt, wenn se in ‘t Felde arbeit‘, Kaffee un Bötters mit Käse un Schwattbraut. An so ‘n sunnigen Dagg unner de graude Eike an ‘n Wieschkenrand fröhstücken – dat wass wat würklick Guedet.

Es gab ein gutes Frühstück, so wie Bauern das mitnehmen, wenn sie auf dem Feld arbeiten, Kaffee und Butterbrote mit Käse und Schwarzbrot. An so einem sonnigen Tag unter der großen Eiche am Wiesenrand frühstücken – das war etwas wirklich Gutes.

Nu wäörn dat kinne rechten Mönsterlänner Kerls, wenn se nich auk ‘ne Pulle Schluck mitnuommen hadden. Onkel Paul hadde de Pulle, äs de Sunne immer heeter wüerd, an ‘e Siete in ‘n Morass vön ‘n Flüett stellt, daomit de Schluck jau nich warm wüerd.

Jetzt wären das keine richtigen Münsterländer Kerls, wenn sie nicht auch eine Flasche Schnaps mitgenommen hätten. Onkel Paul hatte die Flasche, als die Sonne immer heißer wurde, an die Seite in den Morast der Flötte gestellt, damit der Schnaps ja nicht warm wurde.

Un dann wäör ‘t Müerkestiet, un Onkel Paul halde de Pulle ut ‘n Flüett. Dat hett, he   w o l l   de Pulle ut ‘n Flüett halen – aower de Pulle wäör de nich men, se wäör – Dunnerschlagg no’ maol! – weg.

Und dann war es Müerkestiet [Anmerkung: 11 Uhr, Zeit für einen ersten Schnaps], und Onkel Paul holte die Flasche aus der Flötte. Das heißt, er   w o l l t e   die Flasche aus der Flötte holen – aber die Flasche war nicht mehr da, sie war – Donnerschlag noch mal! – weg.

„Sagebuck no’ maol“, flockte Onkel Paul, „wao is de aolle Pulle affbliëben?“ In ‘n Morass konn m’, unner Water, noch guet seihn, wao se siäten hadde. Et konn auk nicheener debiewesst sien, denn hadden se seihn mosst, weil se jüst ‘n paar Meters dekiëgen an ‘t Schalung timmern wesst wäörn.

„Verdammt noch mal“, fluchte Onkel Paul, „wo ist die alte Flasche abgeblieben?“ Im Morast konnte man, unter Wasser, noch gut sehen, wo sie gesteckt hatte. Es konnte sich auch keiner daran zu schaffen gemacht haben, den hätten sie sehen müssen, weil sie gerade mal ein paar Meter daneben am Schalung zimmern gewesen waren.

De Sunne stüök, de Duorst wüerd grötter – un et gaff kinnen. „Deibel no maol, wao is de Pulle bloß hen?“ flockte Onkel Paul, un dütmaol düütlick lauter, un well emm kennt, de kann sick denken, dat et so laut wäör, dat man et dwiärs düör Haverforths Wieschken häörn konn.

Die Sonne stach, der Durst wurde größer – und es gab keinen. „Deibel noch mal, wo ist die Flasche bloß hin?“ fluchte Onkel Paul, und diesmal deutlich lauter, und wer ihn kennt, der kann sich denken, dass es so laut war, dass man es quer durch Haverforths Wiesen hören konnte.

„Wees wat?“, siä uesen Pa, „kiek di äs denn Flüett an. Steiht dat Water nich viël högger äs vömuorn?“ Beide keeken, un – Deibel no maol! – dat Water stönn tatsächlick ‘n ganzen End högger äs muornsens noch.

„Weißt du was?“, sagte unser Pa, „guck dir mal die Flötte an. Steht das Wasser nicht viel höher als heute morgen?“ Beide guckten, und – Deibel noch mal! – das Wasser stand tatsächlich ein ganzes Stückchen höher als morgens noch.

Dat Unnerwiär lesste Nacht!, dat Unnerwiär!

Das Unwetter letzte Nacht!, das Unwetter!

Jedenfalls – de Pulle wäör de män guet weg, un so wiet äs man seihn konn, schwömm se auk nich unnerhalf in ’n Flüett. Schön dumm stönnen se dao, un et wüerd noch ‘n langen, heeten un mächtig drügen Dagg.

Jedenfalls – die Flasche war man gut weg, und so weit man sehen konnte, schwamm sie auch nicht unterhalb in der Flötte. Schön dumm standen sie da, und es wurde noch ein langer, heißer und mächtig trockener Tag.

De Wiäke drupp gönk ‘t wieder mit de Brügge. Dütmaol hadden se auk noch ‘n kleinet Wichtken mitnuommen, Maria, Onkel Pauls Lütke. Maria wass ‘n leiwet, ruhiget Wichtken mit ‘n füerrauden Vosskopp, un et spiëlde in ‘e Wieschke un an ‘n Flüett, ganz alleen, un wäör debie helle best tefriäde.

In der darauffolgenden Woche ging es weiter mit der Brücke. Dieses Mal hatten sie auch noch ein kleines Mädchen mitgenommen, Maria, die Kleine von Onkel Paul. Maria war ein liebes, ruhiges Mädchen mit feuerrotem Fuchskopf, und es spielte in der Wiese und an der Flötte, ganz alleine, und war dabei allerbestens zufrieden.

Dat fuchte Wiär hadde sick lange vertrocken, et wass heet un sunnig un för ‘n Roggen vië‘ste drüge. Nich eene Wolke wäör an ‘n Himmel, man konn üöwerall in ‘e Wieschken an ‘n Flüett de Tüten ropen häörn, un uesen Pa un Onkel Paul wäörn drüm un dran, de niëe Brügge te geiten. Et gaff ‘n schönet Fröhstück (Kaffee un Bötters mit Käse un Schwattbraut), un et wäör richtig schön in ‘n Schatten unner de graude Eike an ‘e Flüettwieschke.

Das feuchte Wetter hatte sich längst verzogen, es war heiß und sonnig und für den Roggen viel zu trocken. Nicht eine Wolke war am Himmel, man konnte überall in den Wiesen an der Flötte die großen Brachvögel rufen hören, und unser Pa und Onkel Paul waren drum und dran, die neue Brücke zu gießen. Es gab ein schönes Frühstück (Kaffee und Butterbrote mit Käse und Schwarzbrot), und es war richtig schön im Schatten unter der großen Eiche an der Flöttenwiese.

Un riänget, riänget hadde et de ganze Wiäke auk nich.

Und geregnet, geregnet hatte es die ganze Woche auch nicht.

De niëe Schluckpulle stönn in ‘n Flüett un bleef schön kaolt, un – man konn ja nich wiëten – Onkel Paul hadde ‘n Steent druppleggt, auk wenn ‘t all siet acht Dagen nich riänget hadde. Beide Kerls hadden auk immer wiër maol tüschkendüör kuort nao de Pulle kiëken, un se wäör dao und se bleef auk dao.

Die neue Schnapsflasche stand in der Flötte und blieb schön kalt, und – man konnte ja nicht wissen – Onkel Paul hatte einen Stein darauf gelegt, auch wenn es schon seit acht Tagen nicht geregnet hatte. Beide Männer hatten auch zwischendurch immer wieder mal kurz nach der Flasche geguckt, und sie war da und blieb auch da.

Genau äs de Wiäke vüördem stönn de Pulle ‘n Endken affsiets vön ‘e Baustiëde, daomit se nich ut Verseihn bie de Arbeit Schaden nammp.

Genau so wie in der Woche vorher stand die Flasche ein Stückchen abseits von der Baustelle, damit sie nicht versehentlich bei der Arbeit Schaden nahm.

Man wüss, wat sick gehäört, un wochtede, bis dat ‘t Müerkestiet wäör. Jau, de beiden wochteden, un denn Elf-Uhr-Schlagg vön ‘n Riesenbiëksken Kerktaornt konn man bis ganz ächten in ‘t Feld häörn, wull weil et so daudenstill wäör.

Man wusste, was sich gehört, und wartete, bis es „Müerkestiet“ war. Ja, die beiden warteten, und den Elf-Uhr-Schlag vom Riesenbecker Kirchturm konnte man bis ganz hinten im Feld hören, wohl weit es so totenstill war.

De Blader vön ‘e Wallhiëgenbaime weggeden sick nicks, de Luft stönn un flimmerde üöwer de Wieschken. Üöwer ‘t Water schüöten blaulöchtende Libellen, un Müggen un Bremsen dään iähr Bestet, üm de beiden Kerls te iägern.

Die Blätter der Wallheckenbäume bewegten sich kein bisschen, die Luft stand und flimmerte über den Wiesen. Über das Wasser schossen blauleuchtende Libellen, und Mücken und Bremsen taten ihr Bestes, um die beiden Männer zu ärgern.

Et was drückend, un de Schweet löp bie de schwaore Arbeit. De Schalung wäör sotesäggen ferrig, aff un to knallden noch laute Hammerschliäge düör de bröende Stille.

Es war drückend, und der Schweiß lief bei der schweren Arbeit. Die Schalung war sozusagen fertig, ab und an knallten noch laute Hammerschläge durch die brütende Stille.

Up jeden Fall, elf nao elf stönnen beide praot, un de Pulle wäör auk noch dao. Müerkestiet – höchste Tiet!

Auf jeden Fall, um elf nach elf standen beide parat, und die Flasche war auch noch da. „Müerkestiet“ – höchste Zeit!

Wu de Tofall dat so woll: direkt bie de Pulle spiëlde Maria an ‘t Water. Se löt immer kleine Grässspierkes schwemmen un freide sick, dat se „Schippkes“ hadde. Immer wiër häörde man se vör Spaß quieken. Iähr raudet Röcksken löchtede in ‘e Sunne, un iähr hellet Schürzken auk. Et was eenfach ‘ne Freide, dat Lütke spiëlen te seihn.

Wie der Zufall das so wollte: direkt neben der Flasche spielte Maria am Wasser. Sie ließ immer kleine Grashälmchen schwimmen und freute sich, dass sie „Schiffchen“ hatte. Immer wieder hörte man sie vor Spaß quieken. Ihr rotes Röckchen leuchtete in der Sonne, und ihr helles Schürzchen auch. Es war einfach eine Freude, die Kleine spielen zu sehen.

„Maria“, röp Onkel Paul, „hals du us äs iäm de Pulle?“

„Maria“, rief Onkel Paul, „holst du uns mal eben die Flasche?“

Natürlick dää Maria dat, un ganz sachte packede et mit siene kleine Händkes de graude Pulle, schüöf denn Steent biesiete un tröck se ut ‘n Morass. Ganz vüörsichtig spollde et denn Dreck in ‘n Flüett aff, bisdat se wiër ganz sauber wäör.

Natürlich machte Maria das, und ganz sanft fasste sie mit ihren kleinen Händchen die große Flasche, schob den Stein zur Seite und zog sie aus dem Morast. Ganz vorsichtig spülte sie den Dreck in der Flötte ab, bis dass sie wieder ganz sauber war.

Intüschkentiet wäör uesen Pa debie, wat Iesen fasteterödeln, un Onkel Paul höll denn Iesenkuorf faste. Dat duerde ‘n Moment, un dann stönn Maria auk all vör iähr, ganz iewerig mit raude Bäckskes vön ‘t Spiëlen un vön ‘e Sunne.

In der Zwischenzeit war unser Pa dabei, etwas Eisen festzurödeln, und Onkel Paul hielt den Eisenkorb fest. Das dauerte einen Moment, und dann stand Maria auch schon vor ihnen, ganz eifrig mit roten Bäckchen vom Spielen und von der Sonne.

„Ich hab die Pulle schön sauber gemacht“, strahlde dat Lütke, „un dat Wasser hab ich auch schon raus gekippt!“

„Ich hab die Pulle schön sauber gemacht“, strahlte die Kleine, „und das Wasser hab ich auch schon raus gekippt!“

Un dao stönn se, gleihede vüör Spass un höll iähr de Schluckpulle hen, ganz reinlick affwaschket – un lüerig, vullstännig lüerig.

Und da stand sie, glühte vor Freude und hielt ihnen die Schnapsflache hin, ganz sauber abgewaschen – und leer, vollständig leer.

Et wüerd noch wat stiller in ‘t Feld, de Sunne brannde up Haverforths Wieschken dale, un de Schweet drüppede vön ‘ne Köppe daale. Man häörde bloß noch dat Sissen vön ‘e Libellenflüegel.

Es wurde noch etwas stiller im Feld, die Sonne brannte auf Haverforths Wiesen runter, und der Schweiß tropfte von den Köpfen herunter. Man hörte nur noch das Summen der Libellenflügel.

Et duchde de beiden Kerls, äs wenn ‘t noch ‘n lück heeter würd.

Es schien den beiden Männern, als wenn es noch ein wenig heißer würde.

„Dä!“, siä uesen Pa, un he häörde sick wat heesterig an vön wiägen de drüge Struote, „wat sass ‘e daoto säggen? Utkippt – d a t – Water is guet weg.“

„Dä!“, sagte unser Pa, und er hörte sich etwas heiser an wegen der trockenen Kehle, „was sollst du dazu sagen? Ausgekippt – d a s – Wasser ist gut weg.“

„Dat is“, siä Onkel Paul nao ‘ne ganze Wiele, „dat is de drügeste Brügge, well ick jemaols bauet häff.“ Un daomit hadde he recht, nich telesste, weil et de ennzige Brügge wäör, well he in sien ganzet Liäben jemaols bauet häff.

„Das ist“, sagte Onkel Paul nach einer ganzen Weile, „das ist die trockenste Brücke, die ich jemals gebaut habe.“ Und damit hatte er recht, nicht zuletzt, weil es die einzige Brücke war, die er in seinem ganzen Leben jemals gebaut hat.

De Brügge, well unner so jämmerlick drüge Ümstänne bauet wurden is, steiht vöndage nich men. Nao guet diärtig Jaohr gaff et in Riesenbiëck ‘ne Verkoppelung, un de häff se nich üöwerstaohn. Dat nieë Jaohrdusend häff se nich men te seihn kriëgen.

Die Brücke, die unter so jämmerlich trockenen Umständen gebaut worden ist, steht heute nicht mehr. Nach gut dreißig Jahren gab es in Riesenbeck eine Flurbereinigung, und die hat sie nicht überstanden. Das neue Jahrtausend hat sie nicht mehr zu sehen bekommen.

[veröffentlicht im Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2016 unter dem Titel „Brüggenbau – De Pullen Schluck“ ]