Sachtexte – Bernhard Wegmann – Tondokument / Transkription

Tondokument des Archivs für gesprochenes Deutsch vom Institut für Deutsche Sprache 1959 auf dem Hof Wegmann in Riesenbeck-Birgte

Sprecher: Bernhard Wegmann

(Transkription von Rudolf Averbeck)

Vorbemerkungen:

Die hier transkribierte Tonaufnahme wurde am gleichen Tag am gleichen Ort aufgezeichnet wie die bekannte Aufzeichnung seines Bruders August Wegmann: im Jahr 1959 auf dem Hof Wegmann in Riesenbeck-Birgte.

Bernhard Wegmann war zunächst unsicher, er stockte anfangs häufig, sprach gelegentlich in unvollständigen Sätzen. Oft verkettete er Sätze mit der Konjunktion „un“ (= „und“). Obwohl er zweifellos im Alltag Plattdeutsch sprach, schlichen sich bei ihm insbesondere anfangs immer wieder hochdeutsche Worte ein („früher, ziemlich, einfach, sparen“), die aber interessanterweise plattdeutsch ausgesprochen wurden (z.B. „Sache“ mit stimmlosem s, „Chroßmutter“ und „Allchemeinheit“ mit weichem g, „s-tramm“). Nachdem August Wegmann kurz an das eigentliche Thema erinnert hatte, sprach Bernhard Wegmann deutlich selbstsicherer und weniger stockend. Zum offensichtlich eigentlichen Thema „Markenteilung“ kam er allerdings erst über Umwege.

Spätestens nach der Eingangsphase ist die Tonaufnahme für Riesenbeck ein Sprachdokument von besonderer Bedeutung. Man merkt, dass Bernhard Wegmann, anders als sein Bruder August, sein Leben lang kaum etwas anderes gesprochen hat als Plattdeutsch – auch wenn er die hochdeutsche Sprache gut beherrscht.

Bei den Tonaufzeichnungen sprach unmittelbar nach Bernhard Wegmann sein Bruder August Wegmann in das Mikrofon. Bei ihm fällt auf, dass er anfangs noch deutlich hochdeutsch gefärbtes Plattdeutsch sprach (z.B. kein weiches Anlaut-g bei „ganz un gar, Glück“); erst nach einigen Sätzen sprach er reines Plattdeutsch. Daraus lässt sich schließen, dass er im Alltag normalerweise Hochdeutsch sprach. Weitere Anmerkungen zu August Wegmann und über die Veröffentlichung seiner Tonaufnahme in der germanistischen Fachbuchreihe „Phonai Band 6, Monographien 1“ aus dem Max Niemeyer Verlag, Tübingen, kann man im „Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2017“ nachlesen. Diese Veröffentlichung machte das Riesenbecker Platt zu etwas ganz Besonderem.

Der Vergleich der Tonaufnahmen der beiden Brüder zeigt, dass die unterschiedlichen beruflichen und sozialen Lebenswege (Bauer auf dem Land, Schulleiter in der Stadt) auch in der Mundart der beiden Sprecher Spuren hinterlassen haben.

Ich denke, man kann sagen, dass der hochdeutsche Einfluss im Plattdeutsch von Bernhard Wegmann deutlich geringer ist als bei August Wegmann.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen mussten personenbezogene Daten unkenntlich gemacht werden.

August Wegmann, (Bruder):
Nu vertäll doch äs no‘ eenmaol.

Bernhard Wegmann:
Ja, also, in de Ibbenbürn‘ Zeitungen, de nennt se hier ja vollständig „Heimatzeitung“, un dao stönnd in, dat uesen Hoff ja up fiefhunnert Jaohr bestaohn harre, un nu, äöh, wäör de Sake so, dat, äöh, wi jä, weil wi all länger bestaohn hadden, moss‘ wi auk jä hier us nao de Giëgend richten, wu dat so wäör, aower früher ‘ne ganze einfache Sache. De Lüde, de liäweden auk in miene Jugend no‘ ziemlich einfach, in ‘e iärste Jugend.

August Wegmann:
Hmm. (zustimmend)

Bernhard Wegmann:
Un de öllern Lüde, de hölln us immer an, up arbeiden un sparen. Äs wi so grötter würden, dat, dat man nich wat beschädigen droffde un so weiter, dat wäör, äöh, ziemlich stramm, würd dat hollen,

August Wegmann:
Hmm. (zustimmend)

… dat wi us auk fügen mossden.

August Wegmann:
Ja, aower ‘t is hier auk viële urbar makt wurden, in ‘t Feld.

Bernhard Wegmann:
Jau.

August Wegmann:
Vertäll dat äs, wu wass dat eegentlicks?

Bernhard Wegmann:
Ja, fröher is …

August Wegmann:
Dao wass doch fröher ‘n grauten Kolk dao in dat …, de Heideflächen.

Bernhard Wegmann:
Ja, eh, fröher is dat so wiëst – miene Mutter iähre Großmutter, de ha‘n Verwandte in Veltrup, Backms, un dao harre manges wat te doon hatt un te spriäken hatt, un dao wass et kiëgen Aomd, immer so Vespertiet, nao ‘t Feld gaohn, un dao wass ‘n Patt, hier von Feldkämps, liekuut gaohn nao Veltrup, un dao

August Wegmann:
? (unverständlich)

… ha’n sücke graude Pöppeln ha’n dao staohn, so ‘n Tropp, dao bi ‘n Hoff, also, well, all‘ was Backms un Schulte Veltrup, de wuehnden bi‘neener, wuehnt auk nu no‘ dao, un dann hadde de Holsken in ‘e Hand nuommen sommerdagg un dann men dehen, düör dat Pättken, liekuut. Und dao wass se dao aoms auk no‘ wier ümm gaohn, so, so flink wass se tefoote wiëst. Dao ha‘ gar kinn Holt staohn, dao is alles kahl wiëst hier in ‘t Feld, un häff m‘ dao auk henkieken konnt, henkieken konnt, ganz guet.

Un nu is dat so kuemmen, dao he…, dao hett dat Allgemeinheit, dat Feld, da was nich irgend sin Eigentum, sondern da .., dat hett Allgemeinheit, un häbbt dao Schaope up laupen, un de Schaope, all…, jeder Buer häff Schaope hatt, ick kann ja auk nu no wull wiesen, wao wi denn Schaopstall hatt häbbt de, dao liepen so hunnert Stück so baole, süss lohnt sick dat ja nich, dat w‘ ‘n Schaiper harren, de moss daoför uppassen mit sienen Rüen, un moss äöh de suorgen, dat ‘e de bi’neener höllt. Un dao is dat later änners wurden. Dao häbbt se dao, äöh, maket, jeder de soll, also, achteihnhunnertsiëmtwintig, dao häbbt se hengaohn, vön buom heraf, un häbbt dat updeelt. Un dao häff eener soviël kriëgen, ännerer soviël. Un dao häbbt se dat nao de Grötte vön de Buerieën, häbbt se dat indeelt, häbbt se de Z…, Toschliäge maket. Un dao wass hier de gröttste Schulte Brachtesende, de häff et gröttste Wiärk hatt, un denn häbbt se füffteihn Andeele daohn. Un dann, äöh, Niemes, wao äöh… nu mien Neffen up is dao, de ha’n dao ‘t naichste gröttste Wiärk hier in Riesenbiëck, de häbbt diärteihn Andeele kriëgen, un de ännern, dat waörn de gewüehnlicken Buern so, äöh henfort hett dat so äs wi auk, dat sind dat so Mittelbetriebe, kinne grauden Buern da, sind hier gar so nich, un, dao häbbt se ‘t, äöh, dat iärste feddich hatt, un dao häff ‘t teihn Jaohr duert, un dao Siëmdiärtig, sind se sick dao so ‘n biëtken uneenig üöwer wurden, un häbbt de watten, de häbbt mähr häbben wollt to ‘t Plaggen schöfeln, wao Heeë wöss, weil se nich Strauh noog hadden, un Kunsdünger kennden se noch nich, un …

August Wegmann:
… de annern wollen Tuorf häbben…

Bernhard Wegmann:
… de annern, ja, Tuorf nich so viël, de wollen dat, dao wäörn auk Siedenissen in, weet ick no wull, dat dao in uese Pännde, dat dao Siedenissen in wäörn, wao auk Water in stönn, wees, up ‘n Haarn.

August Wegmann:
Wecken grauden Kolk denn?

Bernhard Wegmann:
Up de Haar?

August Wegmann:
Well häörde dat?

Bernhard Wegmann:
Up ‘e Haar, ja, dao har’n wi so ‘n …so‘ne Fläche drin, ‘n Pant, un Winterdagg, dann, äöh, früör dao Ies up, un dann göngn wi Jungs auk manges hen ut Spass un dään dao Schlittschohjagen üm meddags un schlünnern, so Junges, dat is so ungefähr veer Kilometer vön us, aower wat mäck dat för sücke junge Junges, dat mäck dann ja nicks.

August Wegmann:
De Riehengiëgend (?), is de daomoss auk all updeelt wurden oder is dat later kuemmen?

Bernhard Wegmann:
Ja, dao is, un dao Siëmdiärtig, dao häbbt se de, de Andeele wier uphuoben, dao häbbt se dat iärst in ‘t Graude deelt, dao hä‘ wi dat hatt hier liekherunners an Schnellebrinks Wall bes vör Schulten Biëke un dann rechts af bes an ‘n Damm un dann hier vüör, wao dat, Ewers un Fössken dao wuehnt, dao, äöh, fönk dat an, dao hä‘ wi dat in een‘ Placken hatt, un dat wass ja wunderbar Wiärk nu för us. Un mit Kultiviern un sowatt – so ‘n grauden Placken in eens lött sick ja wunderbar bewirtschaften. Un dao …

August Wegmann:
…  dao is ‘t doch sicher in kleinere deelt wurden.

Bernhard Wegmann:
… in Siëmdiärtig sind sick dao uneenig wurden, un dao häbbt s‘ ‘t in kleine Deele deelt, un dat hätt: nao Andeele. Un dao häbbt de also, äh, Brachsenne füffteihn, Niemes diärteihn un wi ännern, wi häbbt twiälwen kriëgen, wat hier so de nu de Mittelbetriebe nannt wätt, un de ännern, de häbbt elwen, teihne, niëgen, achte un so wieder bes up ‘n paar, up ‘n paar kriëgen, nao de Andeele häbbt de mennt, so moss dat deelt wärn, dat mossen jetz auk, äöh, nao iähre Grötte jüst wat debie häbben.

August Wegmann:
Giff dat denn hier nu noch Gemeindegrund?

Bernhard Wegmann:
Näö, baole nicks men. De is verkofft wurden to Huusplätze wat. Un wat is auk wull so verkofft wurden. Häbbt se dat drandaon.

August Wegmann:
Wann is dat Biärgpannt dann wull verdeelt wurden?

Bernhard Wegmann:
Jaha, dat Biärgpannt…

August Wegmann:
Auk daomoss?

Bernhard Wegmann:
Jau, sicher. Is auk verdeelt wurden.

August Wegmann:
Un dann hä‘ wi später ja ‘ne ganze Menge urbar makt, wat is, wat Heidegrund wass.

Bernhard Wegmann:
Jau, gewiss.

August Wegmann:
Wat för Stücke sind dat?

Bernhard Wegmann:
Dat sind, dao sin wi anfangen bi de Dickesbiëke, dat hette aower in dat olle Rezess, in dat Grundbook is dat, dao hedde dat Hen-, Hente Neubauer, Weggmanns Kamp, dao is dat upföhert. Wees nu no‘ wull, wat ‘t is, nich, dao sin wi anfangen te kultiviern. Un dat is ‘e auk ursprünglich denn Weggmann, de is dat wiëst, Aweln, wees ja wull etwas

August Wegmann:
Wee‘ ‘ck Bescheid.

Bernhard Wegmann:
… von Bescheid, un de Weggmann, de is nochhiär, de häff gewaltig arbeit‘, Dagg un Nacht, kann ‘m män säggen, un dao häff ‘e ‘t sowiet bracht, iärst häff ‘e sick allerdings wat pachtet hatt, auk in Buernhüer, dat is nich de Öllste wiëst, de twedde of diärde, so eener, häff (?) dao anfangen, häff ‘e ‘t sowiet bracht, häff ‘e ‘n Piärd kriëgen, un daoan is ‘e krank wurden un is, is stuorben, un dao is dann naohiär een‘ von Hembiärgen, Emsdetten ut de Giëgend is dao eener kuemmen, häff sick dao inhiëraot‘, un dat is ‘n Linnenwiäwer wiëst, un de Linnenwiäwers, de hadden fröher aale Geld. Hier wäörn vull Linnenwiäwers, un düsse Awelmann, de häff sick, also, twee Knechte haolen, to dat Linnenwiäwen.

August Wegmann:
Ja, in uese Jugend ha‘ Aweln no‘ ‘n Wiäfstohl, dat weet ick no‘.

Bernhard Wegmann:
Ja, ja hier, B. J., de, de harre auk, äöh, twee, wu hett‘…

August Wegmann:
Wiäfstöhle

Bernhard Wegmann:
Un Jüttken,

August Wegmann:
So.

Jüttken, de hadden auk no‘ twee Wiäfstöhle. Un dao wäörn hier ‘ne ganze Riege. Watten hadden een‘ …

August Wegmann:
Un in alle Hüser wür‘ spunnen.

Bernhard Wegmann:
Jau, in aale Hüser wür‘ spunnen, winterdagg. Also, wi hadden twee Wichter, twee graude Wichter hadden w‘ fröher all, dat kannden wi fröher änners gar nich. Un dann winterdagg, wenn de up ‘n Eschk dat Arbeiden so daon wäör, dann eene sett sick dages in ‘n Stuom un dää spinnen. Natürlich iärst moss dat helpen, melken un Veh fohern, un dat wäör daomaols ümständlick, dat Veh, dat kreeg iärsten Tiet, dat weet ick no‘ guet, dreimaol Dages warm supen, dao möken wi aal män Buuschken, Holt ha‘ wi wull, un dann up ‘at Härdfüer ‘n grauden Kiëdel upp, mit so ‘n Haol dran, kann ick no‘wull wiesen, een‘ hä we de noch hangen, un dann spünn dat ‘n ganzen Dagg, un dat, äöh, spünn dann för us för d‘n Buern un well dat guet spinnen konn, de ha‘ dat froh feddich, de ha‘ dat all wull Ve…, äöh Vespertiet feddich, un dann konn dat för sick spinnen, un aoms, nao ‘t Iäten, dann spünnen de beide, satt wi bi in Dagesstuom, ganze Lüde un Arbeit krich ja Junges auk, alles wäör aoms bieener in ‘n Stuom, dat wäör alles ein Herz und eine Seele, kann m‘ säggen, …

August Wegmann:
Sehr schön!

Bernhard Wegmann:
… de Lüde dachden jüst aale äs wi, un wenn wi de kreegen, zum Beispiel, häörde ick wull, also, wenn de, dat Hiesige wäörn oder wenn wieder hiär wäörn vön Ibbenbürn off Uffeln off Brochterbiëck, wenn dann ‘n Wicht kaim, dann kaimp de Mutter mit un, äöh, mien Vatter de halde de dann mit ‘n Wagen, mit so ‘n kleinen Eenspänner, so ‘n lichten mit ‘n Piärd un dann siä de Frau, de kreeg dann ja Kaffee un küerde ‘n lück un sou, un dann siä se: „Ja, du moss ‘e uppassen, dat de auk wat doot, dat de flietig sind, un nich aoms ümhiärlaupt, dat giff ‘t nich! Un Geld utgiëft, de süellt dat nich so viëll utgiëben, de laot‘ iähr Tüüch un iähr Wiärk in acht niëhmen, un dann müet se aoms nao ‘n Iäten, wenn se nich spinnen küennt, dat se flicken müet‘ iähr Wiärk, dat müet se aoms bi ju in Stuom maken. Ümhiärlaupen, dat gifft üöwerhaupt nich!

August Wegmann:
Men, wi hadden denn auk später …

Dr. Wolfgang Bethgen:
Pause. Wir, äh, es ist, äh… wir wollen abbrechen.

… Wollen Sie, äh, so gut sein, uns nochmal die Wochentage, äh, Montag, Dienstag …

August Wegmann:
Plattdütschk.

Dr. Wolfgang Bethgen:
… auf Plattdeutsch sagen und die Zahlen von eins bis zehn

(Husten)

August Wegmann:
Sunndagg

(Husten)

Dr. Wolfgang Bethgen:
Mit Montag anfangen.

August Wegmann:
De Wiäkendage.

Bernhard Wegmann:
Wiäkendage, ja

Maondagg, Dingesdagg, Gunsdagg, Donderdagg, Friedagg, Saoterdagg, un Sunndagg.

August Wegmann:
Nu täll äs.

Dr. Wolfgang Bethgen:
Bis zehn.

August Wegmann:
Bis teihn. Täll äs bis teihn.

Bernhard Wegmann:
Eene, tweeë, dreië, veere, fiewe, sesse, siëm, achte, niëgen, teihne.

Quellennachweis:

Bild: Familie Wegmann, Birgte (Foto: Rudolf Averbeck)