Literarische Texte – Prosa“Adventswunner”

Een kleinet Adventswunner     (vön Rudolf Averbeck – Kurznovelle)

Ein kleines Adventswunder  (von Rudolf Averbeck – Kurznovelle)

Een hiärtlicket Dankeschön an Ingrid Kröner

Ein herzliches Dankeschön an Ingrid Kröner

Giff et Wunner? So richtige Wunner? So Saken, well eegentlick gar nich müeglick sind, well aower trotzdem passeert?

Gibt es Wunder? So richtige Wunder? So Sachen, die eigentlich gar nicht möglich sind, die aber trotzdem passieren?

Düsse Aort vön deipgründelnde Fraogen stellde sick de kleine Christian mit siene sess Jaohre üöwerhaupt nich. För emm wäör dat ohne denn geringsten Twiebel so, dat emm dat Christkind siene Wiehnachtsgeschenke brachde, un dat düör de Glieme vön dat up Kipp stellde Wuehnzimmerfenster. Auk lesstet Jaohr dat Fahrrad, wat so graut wäör, dat et eegentlick gar nich düör de Glieme düörpöss. Menschken konnen dao, dat wäör auk Christian klaor, kinn Fahrrad düörquetten – aower dat Christkind, dat konn dat un för Christian wäör dat een guedet Biespiël för so een richtiget Wunner.

Diese Art von tiefgründigen Fragen stellte sich der kleine Christian mit seinen sechs Jahren überhaupt nicht. Für ihn war es ohne den geringsten Zweifel so, dass ihm das Christkind seine Weihnachtsgeschenke brachte, und das durch den Spalt des auf Kipp gestellten Wohnzimmerfensters. Auch letztes Jahr das Fahrrad, das so groß war, dass es eigentlich gar nicht durch den Spalt durchpasste. Menschen konnten da, das war auch Christian klar, kein Fahrrad durchquetschen – aber das Christkind, das kann das und für Christian war das ein gutes Beispiel für so ein richtiges Wunder.

Un dat wäör auk genau Opas Meinung, schließlick wäör dat fröher to siener Tiet all jüst so wesst, un so moss Opa Christian immer wier vertällen, wu dat fröher te Wiehnachten togöng. Vör ’n Krieg, äs Opa klein wäör, hadde dat Christkind sogar maol een ganzet Schaukelpiärd düör de Fensterglieme düörkriëgen – nich te glaiben, aower so wäör dat.

Und das war auch genau Opas Meinung, schließlich war das früher zu seiner Zeit schon genau so gewesen, und so musste Opa Christian immer wieder erzählen, wie das früher zu Weihnachten zuging. Vor dem Krieg, als Opa klein war, hatte das Christkind sogar mal ein ganzes Schaukelpferd durch den Fensterspalt durchbekommen – nicht zu glauben, aber so war das.

„Een ganzet Schaukelpiärd?“ prockelde Christian nao, „wu graut wäör dat dann?“

„Dat wäör so graut, dat ick drupp riehen konn. Pickschwatt wäör dat mit witte Mähne un Stiärt – un dat hadde eenen richtigen Saddel ut raudet Liär.“ Opas Augen löchteden, äs he an sien Schaukelpiärd trüggedachde.

„Ein ganzes Schaukelpferd?“ stocherte Christian nach, „wie groß war das denn?“ „Das war so groß, dass ich drauf reiten konnte. Pechschwarz war das mit weißer Mähne und Schwanz – und das hatte einen richtigen Sattel aus rotem Leder.“ Opas Augen leuchteten, als er an sein Schaukelpferd zurückdachte.

„Baaaoooo, Opa!“ Christian keek emm liekut an, dat et emm warm wüerd üm sien ollet Hiärt, „dat Schaukelpiärd, dat woll ick gärne äs maol seihn. Wao is dat dann afbliëben?“

„Baaaoooo, Opa!“ Christian schaute ihn direkt an, dass es ihm warm wurde um sein altes Herz, „das Schaukelpferd, das würde ich gerne mal sehen. Wo ist das denn abgeblieben?“

„Tja“, grämsterde Opa sick un löt de Schullern hangen, „dat is“, he mök eene Pause un aomde deip düör, „dat is kuort nao ’n Krieg kaputtsagt wuerden, vön mienen Papa. Wi hadden nicks to ’t Böten, un dat wäör kaolt in denn Winter. Nich eenfack bloß kaolt un auk nich eenfack bloß gneesich kaolt, näi, dat wäör richtig iesig kaolt, so kaolt, dat sogar Lüe verfrüörn. Christian, dat wäörn helle leige Tieten.“ Opas Stimme wüerd immer leiser, un siene Augen löchteden auk nich men. „Schaukelpiärde wäörn dao nich so wichtig. Un et wäör ja auk all een paar Jaohr olt, dat Beste wäör de all vön draff. Brennholt, Christian, Brennholt. Dat wäör to de Tiet wichtig. So wäör dat domoss.“

„Tja“, räusperte Opa sich und ließ die Schultern hängen, „das ist“, er machte eine Pause und atmete tief durch, „das ist kurz nach dem Krieg kaputtgesägt worden, von meinem Papa. Wir hatten nichts zum Heizen, und das war kalt in dem Winter. Nicht einfach nur kalt und auch nicht einfach nur sehr kalt, nein, es war richtig eisig kalt, so kalt, dass sogar Menschen erfroren. Christian, das waren sehr schlimme Zeiten.“ Opas Stimme wurde immer leiser, und seine Augen leuchteten auch nicht mehr. „Schaukelpferde waren da nicht so wichtig. Und es war ja auch schon ein paar Jahre alt, das Beste war [da schon von ab] es nicht mehr. Brennholz, Christian, Brennholz. Das war zu der Zeit wichtig. So war das damals.“

De beiden satten kiëgeneener up de olle Gaordenbank, so, äs se dat oft dään, un bekeeken sick de giälen Köppkes vön de viëllen Osterglocken. Se satten gärne kiëgeneener up de Bank; de Kleine follde sick dann grötter, un de Graute follde sick dann kleiner, un dat wäör schön för beide. Manges wüerd daobi viël küert, manges, so äs nu, schweegen se stille.

Die beiden saßen nebeneinander auf der alten Gartenbank, so, wie sie das oft machten, und besahen sich die gelben Köpfchen der vielen Osterglocken. Sie saßen gerne nebeneinander auf der Bank; der Kleine fühlte sich dann größer, und der Große fühlte sich dann kleiner, und das war schön für beide. Manchmal wurde dabei viel gesprochen, manchmal, so wie jetzt, schwiegen sie.

„Dat arme Schaukelpiärdken“, siä Christian leise nao ’ne Wiele, un an ’n naichsten Dagg stönnen de beiden in Opas Wiärkstiëde te üsseln.

„Das arme Schaukelpferdchen“, sagte Christian leise nach einer Weile, und am nächsten Tag standen die beiden in Opas Werkstatt zu werkeln.

Et duerde nich lange, bis dat de iärste Scholfrönd vön Christian äs iäm tokieken kammp.

Es dauerte nicht lange, bis [dass] der erste Schulfreund von Christian mal eben zugucken kam.

Twee Dage later meldede Oma Bedenken an, off üöwerhaupt noog Platz in de Wiärkstiëde wäör för de ganzen I-Dötzkes. Opa mennde, dat Kinner schließlick wat lärn mossen, un dat üöwerigens Kinner mit ’n Pott Kakau in ’e Hand viël biäter uppassen konnen. Un et wäör würklick so, dat de Kinner,   m i t   ’n Pott frischkkuokten Kakau in ’e Hande, viëll biäter uppössen.

Zwei Tage später meldete Oma Bedenken an, ob überhaupt genug Platz in der Werkstatt wäre für die ganzen I-Männchen. Opa meinte, dass Kinder schließlich etwas lernen müssten und dass übrigens Kinder mit einem Pott Kakao in der Hand viel besser aufpassen könnten. Und es war wirklich so, dass die Kinder,   m i t   einem Pott frischgekochtem Kakao in der Hand, viel besser aufpassten.

Et duerde twee Wiäken, dann wäör dat Schaukelpiärd feddich: pickschwatt, mit witte Mähne un Stiärt un mit rauden Saddel, bis up ’t lesste Fitzelken jüst so äs domoss Opas iärstet Schaukelpiärd. Christian satt buom drupp un wäör mass äs ’ne Üüße, Opa stönn dekiëgen, höllde Omas Hand, schlukede een üm ’t ännere Maol un wäör auk mass äs ’ne Üüße. De Scholfrönde wäörn ’n lück neidischk up Christian – sooo eenen Opa, denn hadde schließlick nich jeder. So ’n Schaukelpiärd natürlick auk nich, auk wenn dütte nich vön dat Christkind düör de Fensterglieme düörquett’ wuerden wäör.

Es dauerte zwei Wochen, dann war das Schaukelpferd fertig: pechschwarz, mit weißer Mähne und Schwanz und mit rotem Sattel, bis auf das letzte Fitzchen genau so wie damals Opas erstes Schaukelpferd. Christian saß oben drauf und war stolz wie [eine Kröte] Oskar, Opa stand daneben, hielt Omas Hand, schluckte ein ums andere Mal und war auch stolz wie [eine Kröte] Oskar. Die Schulfreunde waren ein wenig neidisch auf Christian – sooo einen Opa, den hatte schließlich nicht jeder. So ein Schaukelpferd natürlich auch nicht, auch wenn dies nicht vom Christkind durch den Fensterspalt durchgequetscht worden war.

Dat Schaukelpiärde in de Tieten vön Laptops un Computerspiële ’n lück oltmodischk sien konnen, up de Idee kammp nicheener, ganz in ’t Kiëgendeel, de allgemeine Meinung wäör, dat Schaukelpiärde   „megacool“   wäörn, un mähr äs een I-Dotz mök all Pläne för sienen Wunschkziëdel an dat Christkindken.

Dass Schaukelpferde in [den] Zeiten von Laptops und Computerspielen ein wenig altmodisch sein könnten, auf die Idee kam keiner, ganz im Gegenteil, die allgemeine Meinung war, dass Schaukelpferde   „megacool“   waren, und mehr als ein I-Dötzchen machte bereits Pläne für seinen Wunschzettel an das Christkindchen.

Mama mailde iëlke Fotos mit Christian up dat Schaukelpiärd nao Papa. De satt all siet Wiäken in Dubai up Montage. Et bleef emm nicks änneres üöwerig äs sick daodrüöwer te freien, dat Christian sick üöwer dat schöne Piärdken freide.

Mama mailte einige Fotos mit Christian auf dem Schaukelpferd nach Papa. Der [saß] war schon seit Wochen in Dubai auf Montage. Es blieb ihm nichts anderes übrig als sich darüber zu freuen, dass Christian sich über das schöne Pferdchen freute.

Christian wäör Papas ewige Montagen so leed äs Steenedriägen. Nao siener Meinung wäör dat sogar so leige, dat et ohne Opa gar nich uttehaolen wäör. Schließlick wäör Opa de Papa vön Papa un kannde sick mit kleine Bünsels bestens ut. Auk Oma stimmde dao to, mennde aower, dat dat bloß daodran lagg, dat Opa eegentlick söffs immer noch eene Blage wäör.

Christian war Papas ewigen Montagen so leid wie Steinetragen. Nach seiner Meinung war das sogar so schlimm, dass es ohne Opa gar nicht auszuhalten wäre. Schließlich war Opa der Papa von Papa und kannte sich mit kleinen Jungs bestens aus. Auch Oma stimmte da zu, meinte aber, dass das nur daran lag, dass Opa eigentlich selbst noch ein Kind wäre.

Dat magg sien, wu ’t will, jedenfalls wüss Opa tatsächlick alltiet genau, wat för eenen kleinen Jungen in sien kleinet Kinnerliäben wichtig wäör, so äs biespiëlswiese jeden Dagg eene Geschichte vörlesst te kriegen, kiëgen sienen Opa up de Gaordenbank te sitten un jedet Jaohr vön sienen Opa eenen Adventskalenner toschicket te kriegen. Dat allerdings wäör wat   g a n z   wat Extras, dat wäör ’n gaaaaaaanz ’n fienen Adventskalenner, äs Oma jedet, aower auk jedet  Jaohr spitzk anmiärken moss.

Das mag sein, wie es will, jedenfalls wusste Opa tatsächlich immer genau, was für einen kleinen Jungen in seinem kleinen Kinderleben wichtig war, so wie beispielsweise jeden Tag eine Geschichte vorgelesen zu bekommen, neben seinem Opa auf der Gartenbank zu sitzen und jedes Jahr von seinem Opa einen Adventskalender zugeschickt zu bekommen. Das allerdings war was   g a n z   [was] Besonderes, das war ein gaaaaaaaanz [ein] schöner Adventskalender, wie Oma jedes, aber auch jedes Jahr spitz anmerken musste.

Bi düssen Kalenner konn man nämlick in de Adventstiet jeden Dagg een Kläppken lössmaken, un daodrächter satt dann nich etwa ’n Stücksken Schocklade, dat hadde ja schließlick Jann un Jeder, näi, daodrächter satt jeden Dagg een Lebkoken, een Möppken, äs man fröher siä, un de Kalenner kammp ut Nürnbiärg, liekeweggten vön de Lebkokenfabrik. Dat Paket wäör direkt an Christian adresseert, un dat ganze wäör eene Geschenksendung, un deswiägen stönn Opa äs Afsender drup. Sowat hadde vön de ännern Kinner nicheener, un Christian wüerd mächtig üm sienen Lebkoken-Adventskalenner beneidet. Christian bellde sick auk mächtig wat drupp in, dat he, so klein äs he wäör, jedet Jaohr een richtiget Paket mit de Post kreeg, höchstpersönlick an emm adresseert.

Bei diesem Kalender konnte man nämlich in der Adventszeit jeden Tag ein Türchen öffnen, und dahinter befand sich dann nicht etwa ein Stückchen Schokolade, das hatte ja schließlich Hinz und Kunz, nein, dahinter befand sich jeden Tag ein Lebkuchen, ein Möppken, wie man früher sagte, und der Kalender kam aus Nürnberg, geradewegs von der Lebkuchenfabrik. Das Paket war direkt an Christian adressiert, und das Ganze war eine Geschenksendung, und deswegen stand Opa als Absender darauf. Sowas hatte von den anderen Kindern keiner, und Christian wurde mächtig um seinen Lebkuchenkalender beneidet. Christian bildete sich auch mächtig was drauf ein, dass er, so klein wie er war, jedes Jahr ein richtiges Paket per Post bekam, höchstpersönlich an ihn adressiert.

Dat wäör so recht nao Opas Müsse. För sienen Christian droff et ruhig ’n biëtken wat Besonderet sien, un Christian sienersiets konn sick eene Adventstiet ohne düssen Lebkoken-Adventskalenner gar nich vörstellen; so wiet äs he mit siene sess Jaohr trüggedenken konn, hadde he jedet Jaohr so eenen Kalenner toschicket kriëgen.

Das war so recht nach Opas Mütze. Für seinen Christian durfte es ruhig ein bisschen was Besonderes sein, und Christian seinerseits konnte sich eine Adventszeit ohne diesen Lebkuchen-Adventskalender gar nicht vorstellen; so weit wie er mit seinen sechs Jahren zurückdenken konnte, hatte er jedes Jahr so einen Kalender zugeschickt bekommen.

Dat wäör Christians heele Kinnerwiält, un so hadde et auk guet un gärne blieben konnt.

Das war Christians heile Kinderwelt, und so hätte es auch gut und gerne bleiben können.

Aower kuort vör de Hiärfstferien kammp dat so mit ’t Küern in ’e Pause up ’n Scholhoff, dat dao so eene Grautschnute ut ’t twedde Scholjaohr behauptede, dat et iärstens dat Christkind gar nich gaff, un wu dann wull tweddens dat Christkind düör eene handbreede Fensterglieme in ’t Huus kuemmen soll? Un wu bitteschön sollen diärdens düör so eene Glieme auk noch de ganzen Geschenke düörpassen? Dat moss ja all een Wunner sien – un Wunner gaff et nich, dat hadden sien Vater un siene Mutter beide säggt.

Aber kurz vor den Herbstferien kam das so mit dem Reden in der Pause auf dem Schulhof, dass da so ein Großmaul aus dem zweiten Schuljahr behauptete, dass es erstens das Christkind gar nicht gab, und wie denn wohl zweitens das Christkind durch eine handbreite Fensterspalte ins Haus kommen sollte? Und wie bitteschön sollten drittens durch so einen Spalt auch noch die ganzen Geschenke durchpassen? Das müsste ja schon ein Wunder sein – und Wundes gäbe es nicht, das hätten sein Vater und seine Mutter beide gesagt.

Christian wüerd et benaude, äs he dat häörde. Vör allen Dingen auk deswiägen, weil he söffs all oft noog jüst üöwer de Sake mit de Fensterglieme un de grauden Geschenke naodacht hadde.

Christian wurde es beklommen, als er das hörte. Vor allen Dingen auch deswegen, weil er selbst schon oft genug gerade über die Sache mit dem Fensterspalt und den großen Geschenken nachgedacht hatte.

Opa rüök faorts, dat Christian wat hadde, äs he säög, wu schliepstiärts he vön de Schole trüggekammp. Säggen dää Christian aower nicks, un fraogen, dat dää Opa nich.

Opa roch sofort, dass Christian etwas hatte, als er sah, wie niedergeschlagen er von der Schule zurückkam. Sagen tat Christian aber nichts, und fragen, das tat Opa nicht.

Kiëgen Aobend satten de beiden dann kiëgeneener up de olle Gaordenbank, so, äs se dat oft dään, un bekeeken sick de giälen Köppe vön de viëllen Sunnenblomen.

Gegen Abend saßen die beiden dann nebeneinander auf der alten Gartenbank, so, wie sie das oft machten, und beguckten sich die gelben Köpfe der vielen Sonnenblumen.

„Opa“, sett’e Christian an, „Opa, giff et eegentlick Wunner? Ick meine – so richtige Wunner?“

„Opa“, setzte Christian an, „Opa, gibt es eigentlich Wunder? Ich meine – so richtige Wunder?“

„Menns du so ’ne Wunner äs gistern in de Geschichte, wao man bloß an eene olle Latüchte rieben mott un – wuppskedi! – kümmp do een Geist …“

„Meinst du solche Wunder wie gestern in der Geschichte, wo man bloß an einer alten Lampe reiben muss und – wuppskedi! – kommt da ein Geist …“

„Opa!“, unnerbrüök emm Christian ungeduldig, „dat is doch bloß ’ne Geschichte! Wat ick meine is biespiëlswiese dat Christkind – dat et dat üöwerhaupt giff un wu dat mit de Geschenke düör dat Fenster in ’t Huus rinkuemmen kann.“

„Opa!“, unterbrach ihn Christian ungeduldig, „das ist doch nur eine Geschichte! Was ich meine ist beispielsweise das Christkind – dass es das überhaupt gibt und wie das mit den Geschenken durch das Fenster ins Haus reinkommen kann.“

Aaah so. Daodrüm gönk et also. Dat wäör jüst de Fraoge, de he söffs sienen Papa stellt hadde, domoss, mitten in ’n Krieg, un dat lagg nu all – mein Gott, wu de Tiet vergeiht! – siëmßig Jaohr trügge.

Aaah so. Darum ging es also. Das war genau die Frage, die er selbst seinem Papa gestellt hatte, damals, mitten im Krieg, und das lag nun schon – mein Gott, wie die Zeit vergeht! – siebzig Jahre zurück.

„Mott man dann alles verstaohn?“, hadde sien Papa trüggefroggt, „müett’ Kinner dann alles wiëten? Dat Glaiben mäck doch de Wiält viël schöner, un Wunner –“, daobi hadde sien Papa emm faste an sick drücket, „Wunner häbbt wi doch noch nie so neirig hatt äs in düsse Tieten. Well nich an Wunner glöff, de beliäft auk kinne Wunner.“

„Muss man denn alles verstehen?“, hatte sein Papa zurückgefragt, „müssen Kinder denn alles wissen? Das Glauben macht doch die Welt viel schöner, und Wunder –“, dabei hatte sein Papa ihn fest an sich gedrückt, „Wunder haben wir doch noch nie so nötig gehabt wie in diesen Zeiten. Wer nicht an Wunder glaubt, der erlebt auch keine Wunder.“

Dat wäör dat, wat sien Papa emm vör siëmßig Jaohr säggt häff, mitten in ’n Krieg.

Aower de Tieten häbbt sick mächtig ännert in siëmßig Jaohren. De Krieg is lange vörbi, un de ollen Antwaorten vön domoss – passt de noch in uese Tiet?

Das war das, was sein Papa ihm vor siebzig Jahren gesagt hat, mitten im Krieg. Aber die Zeiten haben sich mächtig geändert in siebzig Jahren. Der Krieg ist lange vorbei, und die alten Antworten von damals – passen die noch in unsere Zeit?

Intüschkentiet vertällde Christian wieder, wu et vörmuorn up ’n Scholplatz wesst wäör. Opa lusterde mit halwe Aohrn to, un dann resolveerde he sick.

Inzwischen erzählte Christian weiter, wie es heute Morgen auf dem Schulplatz gewesen war. Opa hörte mit halbem Ohr zu, und dann entschloss er sich.

„Dumm Tüüg“, siä he, „Waohiär will utgeriäknet so eene dumme Blage ut ’t twedde Scholjaohr dat dann wull alles wiëten? Bi us jedenfalls is dat Christkind immer kuemmen, bi di, bi mi, äs ick so klein wäör äs du un auk bi mienen Papa, äs de so klein wäör äs du – un dat is nu all baole hunnert Jaohr hiär. Näi, näi – du kanns dienen Scholkollegen utrichten, dat iärstens bi us dat Christkind all siet üöwer hunnert Jaohr kuemmen is, dat et tweddens immer düör ’t Kippfenster kuemmen is un diärdens auk immer mit alle Geschenke. Wenn dat kinn Wunner is, dann weet ick nich, wat een Wunner is.“

„Dummes Zeug“, sagte er, „woher will ausgerechnet so ein dummer Bengel aus dem zweiten Schuljahr das denn wohl alles wissen? Bei uns jedenfalls ist das Christking immer gekommen, bei dir, bei mir, als ich so klein war wie du und auch bei meinem Papa, als der so klein war wie du – und das ist nun schon fast hundert Jahre her. Nein, nein – du kannst deinem Schulkollegen ausrichten, dass erstens bei uns das Christkind schon seit über hundert Jahren gekommen ist, dass es zweitens immer durchs Kippfenster gekommen ist und drittens auch immer mit allen Geschenken. Wenn das kein Wunder ist, dann weiß ich nicht, was ein Wunder ist.“

Dann satten beide dao un schweegen stille.

Dann saßen beide da und schwiegen.

An ’n naichsten Dagg vertällde Christian in ’e Schole, dat dat Christkind bi iähr all siet üöwer hunnert Jaohre de Wiehnachtsgeschenke düör ’t Kippfenster bracht hadde, un dat he sienen Opa froggt hadde un dat de emm dat vertällt hadde.

Am nächsten Tag erzählte Chrisitan in der Schule, dass das Christkind bei ihnen schon seit über hundert Jahren die Weihnachtsgeschenke durch das Kippfenster gebracht hätte, und dass er seinen Opa gefragt hätte und dass der ihm das erzählt hätte.

De watten, de lacheden, allen vörran dat Grautmuul vön gistern, aower de watten, de lacheden nich. Vör allen Dingen de, well Christians Opa kannden, de lacheden nich. Un dat wäörn de miästen.

Einige, die lachten, allen voran das Großmaul von gestern, aber einige, die lachten nicht. Vor allen Dingen die, die Christians Opa kannten, die lachten nicht. Und das waren die meisten.

Kuort nao de Hiärfstferien lagg Opa up denn kleinen Rasen vör de Gaordenbank, up de he so oft kiëgen Christian siäten hadde. He lagg up ’n Puckel, kiëgen sick siene Schufkaore mit Harke un Schöfel. Giäle Blader föllen sachte vön denn ollen Appelbaum up denn Rasen. Up denn Rasen un up Opa.

Kurz nach den Herbstferien lag Opa auf dem kleinen Rasen vor der Gartenbank, auf der er so oft neben Christian gesessen hatte. Er lag auf dem Rücken, neben sich seine Schiebkarre mit Harke und Schüppe. Gelbe Blätter fielen sanft vom alten Apfelbaum auf den Rasen. Auf den Rasen und auf Opa.

He wäör daut.

Er war tot.

Kinner kuemmt üöwer sowat wegg, sägg man. Aower so licht is dat mit sess Jaohren nich.

Kinder kommen über sowas hinweg, sagt man. Aber so einfach ist das mit sechs Jahren nicht.

Näi, so eenfack is dat bi Naohheit nich.

Nein, so einfach ist das mit Sicherheit nicht.

Papa wäör – all wier maol! – up Montage. De Tiet tröck sick langsam, helle, helle langsam in de Längte.

Papa war – schon wieder mal! – auf Montage. Die Zeit zog sich langsam, sehr, sehr langsam in die Länge.

Äs St. Martin naiger rückede, dao föll Christian up maol in, dat he vönjaohr kinnen Lebkoken-Adventskalenner vön Opa men kreeg.

Als St. Martin näher rückte, da fiel Christian auf einmal ein, dass er dieses Jahr keinen Lebkuchen-Adventskalender von Opa mehr bekam.

„Oma“, froggde he ganz vüörsichtig an, „ bestells   du   mi düt Jaohr eenen Lebkoken-Adventskalenner?“

„Oma“, fragte er ganz vorsichtig an, „bestellst   du   mir dieses Jahr einen Lebkuchen-Adventskalender?“

Oma unnerbrüök iähre Küekenarbeit, drügede sick de Hande af un siä ganz sachte, aower naodrücklick: „Näi, Christian, dat do ick nich.“ Se streek düör Christians Haore; sien verschrockenen Utkiek wäör nich te üöwerseihn. „Wees du, de Lebkoken-Adventskalenner, dat wäörn immer Geschenke vön Opa, ganz besondere Geschenke vön Opa för di, Christian. Un daobi sall et blieben. Wi beide, wi sökt us tesammen eenen änneren schönen Adventskalenner för di ut.“ Un daobi bleef et.

Oma unterbrach ihre Küchenarbeit, trocknete sich die Hände ab und sagte ganz ruhig, aber nachdrücklich: „Nein, Christian, das mache ich nicht.“ Sie strich durch Christians Haare; sein erschrockener Blick war nicht zu übersehen. „Weißt du, die Lebkuchen-Adventskalender, das waren immer Geschenke von Opa, ganz besondere Geschenke von Opa für dich, Christian. Und dabei soll es bleiben. Wir beide, wir suchen uns zusammen einen anderen schönen Adventskalender für dich aus.“ Und dabei blieb es.

Christian kreeg eenen grauten, schönen Adventskalenner mit Kläppkes, wao Schockladestückskes ächter satten. Jüst so, äs bi alle ännern Kinner auk. Nich to ’t iärste Maol in de lessten Wiäken hadde Christian dat Geföhl, dat eene schöne Tiet te Ende gaohn wäör.

Christian bekam einen großen, schönen Adventskalender mit Kläppchen, wo Schokoladenstückchen dahinter waren. Genau so, wie bei allen anderen Kindern auch. Nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen hatte Christian das Gefühl, dass eine schöne Zeit zu Ende gegangen war.

Aower natürlick kannde Oma iährn Christian jüst so guet äs Opa emm auk kannt hadde. Un so wäör se auk eene schlechte Oma wesst, wenn se bi denn Adventskalenner nich mit Ächterstiëke naihet hadde.

Aber natürlich kannte Oma ihren Christian genau so gut wie Opa ihn auch gekannt hatte. Und so wäre sie auch eine schlechte Oma gewesen, wenn sie bei dem Adventskalender nicht mit [Hinterstichen genäht] Hintergedanken gearbeitet hätte.

„Ächterstiëke“ – dat hedde in düssen Fall, dat se Christian vön nu af an jedet Jaohr een Geschenkkässken Lebkoken in Nürnbiärg bestellen woll. Dat wäör kinn Adventskalenner, aower et wäör doch so ähnlick, un lestlick wäörn et de glieken Lebkoken äs in denn Adventskalenner. Düsse Geschenkkässkes woll se dann, jüst so äs Opa fröher, an Christian adresseren, un de Afsender wäör dann nich men Opa, sonnern Oma. Dat ganze wäör so ähnlick äs fröher de Lebkoken-Adventskalenners, aower iäm doch ’n biëtken änners, un genau dat soll et ja auk sien. Un dat eerste Paket soll för Christian eene richtig graute Üöwerraschkung sien – un daorüm droff he nu noch nicks daovön wiëten.

„Hintergedanken“ – das hieß in diesem Fall, dass sie Christian von jetzt an jedes Jahr ein Geschenkkästchen mit Lebkuchen in Nürnberg bestellen wollte. Das war kein Adventskalender, aber es war doch so ähnlich, und letztlich waren es die gleichen Lebkuchen wie in dem Adventskalender. Diese Geschenkkästchen wollte sie dann, genauso wie Opa früher, an Christian adressieren, und der Absender war dann nicht mehr Opa, sondern Oma. Das Ganze war so ähnlich wie früher die Lebkuchenkalender, aber eben doch ein wenig anders, und genau das sollte es ja auch sein. Und das erste Paket sollte für Christian eine richtig große Überraschung sein – und darum durfte er jetzt noch nichts davon wissen.

Oma sochde sick ut Opas Papierkraom de Unnerlagen vön de Lebkokenfabrik rut un bestellde een Geschenkkässken Lebkoken. De Afsender wass Oma. Un noch wat wass mit Unnerscheid: Opa hadde de Bestellungen immer schriftlick mit eene Postkarte rutschicket. Dat wäör aower nu gar nicks för Oma, schließlick wäör Oma eene moderne Oma. Se sett’e sick an iähren Computer un schickede de Bestellung per Email ruut.

Oma suchte sich aus Opas Papierkram die Unterlagen der Lebkuchenfabrik heraus und bestellte ein Geschenkkästchen Lebkuchen. Der Absender war Oma. Und es gab noch einen weiteren Unterschied: Opa hatte die Bestellungen immer schriftlich mit einer Postkarte rausgeschickt. Das war jetzt aber gar nichts für Oma, schließlich war Oma eine moderne Oma. Sie setzte sich an ihren Computer und schickte die Bestellung per Email raus.

Daomit is düt kleine Vertällsel vön Opa, Christian un Oma an düsse Stiëde eegentlick an ’n End, un et wäör auk tatsächlick an ’n End wesst, wenn et nich änners kuemmen wäör, ganz änners.

Damit ist diese kleine Erzählung von Opa, Christian und Oma an dieser Stelle eigentlich zu Ende, und sie wäre auch tatsächlich zu Ende gewesen, wenn es nicht anders gekommen wäre, ganz anders.

Äs Oma nämlick twee Wiäken nao St. Martin vön ’t Inkaupen nao Huus kammp, häörde se all vön Wieten, äs se üm de Straotenecke boggde, een grautet Gedrüüs ut iähr Huus. Dat wäörn Kinnerstimmen, viële Kinnerstimmen, un Oma schüöt de Schreck in ’e Knuoken. Wat wäör dao bloß löss? Christian wäör alleen te Huus – dao soll doch wull nicks passeert sien? Dat feihlde jüst noch! Se pöck iähre Inkaupstaschke faster un löp schneller, un se fünd dat Huus in heller Upregung vör. Christian hadde alle Naoberblagen bi’neenertrummelt, et wäörn baole een Dutzend Kinner in ’t Huus, un de Kinner wäörn reddewechten uter Rand un Band. Een Wipsennöst wäör nicks dekiëgen.

Als Oma nämlich zwei Wochen nach St. Martin vom Einkaufen nach Hause kam, hörte sie schon von Weitem, als sie um die Straßenecke bog, ein großes Geschrei aus ihrem Haus. Das waren Kinderstimmen, viele Kinderstimmen, und Oma schoss der Schreck in die Knochen. Was war da bloß los? Christian war allein zu Haus – da sollte doch wohl nichts passiert sein? Das fehlte gerade noch! Sie fasste ihre Einkaufstasche fester und lief schneller, und sie fand das Haus in heller Aufregung vor. Christian hatte alle Nachbarkinder zusammengetrommelt, es waren fast ein Dutzend Kinder im Haus, und die Kinder waren geradezu außer Rand und Band. Ein Wespennest war nichts dagegen.

Äs Christian Oma rinkuemmen säög, stüört’e he up se to. Siene Bäckskes wäörn gleihnig raut un siene Augen löchteden. „Oma, et giff tatsächlick Wunner! Opa häff recht hatt!“ Daobi üöwerschlög sick siene Stimme.

Als Christian Oma reinkommen sah, stürzte er auf sie zu. Seine Wangen waren glühend rot und seine Augen leuchteten. „Oma, es gibt tatsächlich Wunder! Opa hat recht gehabt!“ Dabei überschlug sich seine Stimme.

Oma hadde gar nich richtig tohäört, se hadde sick iärst äs maol ümkiëken. Dat Huus stönd noch, Gott-sei-Dank.

Oma hatte gar nicht richtig zugehört, sie hatte sich erst einmal umgesehen. Das Haus stand noch, Gott-sei-Dank.

„Jau, een Wunner, een richtiget Wunner is bi ju passeert!“, kreihede de kleine Lena vön kiëgenan mit iähre veer Jaohre, un de ännern Kinner koppnickeden un küerden alle so wild düör’neener, dat Oma kinn wiederet Waort verstaohn konn.

„Ja, ein Wunder, ein richtiges Wunder ist bei euch geschehen!“, krähte die kleine Lena von nebenan mit ihren vier Jahren, und die anderen Kinder nickten mit dem Kopf und redeten alle so wild durcheinander, dass Oma kein weiteres Wort verstehen konnte.

„Oma“, röp Christian, „Oma, kiek di dat hier äs an!“ He greep ächter sick un höllde iähr een Paket unner de Niëse, un Oma säög faorts, dat dat een Paket mit eenen Lebkoken-Adventskalenner wäör. Een Lebkoken-Adventskalenner?!?

„Oma“, rief Christian, „Oma, guck dir das hier mal an!“ Er griff hinter sich und hielt ihr ein Paket unter die Nase, und Oma sah sofort, dass das ein Paket mit einem Lebkuchen-Adventskalender war. Ein Lebkuchen-Adventskalender?!?

„Dat kann doch gar nich.“, dachde Oma.

„Das kann doch gar nicht sein.“, dachte Oma.

„Oma“, röp Christian, un siene Stimme üöwerschlög sick all wier vör Upregung, „kiek di dat äs an: ick häff doch noch mienen Lebkoken-Adventskalenner kriëgen! Un hier, Oma, kiek di äs denn Afsender an: dat Paket is vön Opa! Vön Opa!“ Daobi strahlde he Oma an un hüppkede vön een Been up ’t ännere.

„Oma“, rief Christian, und seine Stimme überschlug sich schon wieder vor Aufregung, „guck dir das mal an: ich habe doch noch meinen Lebkuchen-Adventskalender bekommen! Und hier, Oma, guck dir mal den Absender an: das Pakte ist von Opa! Von Opa!“ Dabei strahlte er Oma an und hüpfte von einem Bein aufs andere.

„Vön Opa! Opa häff mi denn Adventskalenner schicket – direkt ut ’n Himmel!“

„Von Opa! Opa hat mir den Adventskalender geschickt – direkt aus dem Himmel!“

Oma hadde bislang, mitten in all dat Gedrüüs, noch nich een Waort säggt, un nu moss se sick iärst äs maol hensetten.

Oma hatte bislang, mitten in all diesem Aufruhr, noch nicht ein Wort gesagt, und jetzt musste sie sich erst einmal hinsetzen.

„Kinners, nu beruhiget ju doch“, siä se, un de ganze upgeregte Tropp Blagen wüerd tatsächlick wat leiser.

„Kinder, jetzt beruhigt euch doch“, sagte sie, und der ganze aufgeregte Haufen Kinder wurde tatsächlich etwas leiser.

Dat Wunner, wat hier passeert wäör, dat lagg för de Blagen to ’t Griepen in ’e Luft.

Das Wunder, das hier passiert war, das lag für die Kinder zum Greifen in der Luft.

Een Wunner is een Wunner. Dat giff et schließlick nich alle Dage.

Ein Wunder ist ein Wunder. Das gibt es schließlich nicht alle Tage.

 

Auk wenn eegentlick bloß in eene Lebkokenfabrik een Email-Updragg verkährt afarbeit’ wuerden is un bi de Ingabe nich miärket wuerden is, dat sick bi de alljäöhrlick glieke Bestellung vön eenen Mann ut ’t Mönsterland eeniges ännert hadde. Feihlers passeert schließlick üöwerall. Dat is noch lange kinn Wunner.

Auch wenn eigentlich nur in einer Lebkuchenfabrik ein Email-Auftrag falsch verarbeitet worden ist und bei der Eingabe nicht bemerkt worden ist, dass sich bei der alljährlich gleichen Bestellung eines Mannes aus dem Münsterland einiges geändert hatte. Fehler passieren schließlich überall. Das ist noch lange kein Wunder.

Ännersiets – wenn man bedenkt, wu weinige vön de Hunnertdusenden of Millionen Bestellungen in de Fabrik to Wiehnachten verkährt afarbeit’ wärd’  –  vlicht wäör dat ja in düssen Fall doch een Wunner? Dat utgeriäknet in düssen Fall utgeriäknet twee Feihlers passeerden, nämlick dat dat verkährte Lebkoken-Geschenkpaket mit denn verkährten Afsender schicket wüerd, un dat auk noch utgeriäknet bi Christian, well eegentlick gar nich ohne sienen Opa konn …

Andererseits – wenn man bedenkt, wie wenige von den Hundertausenden oder Millionen Bestellungen in der Fabrik zu Weihnachten falsch verarbeitet werden  –  vielleicht war das ja in diesem Fall doch ein Wunder? Dass ausgerechnet in diesem Fall ausgerechnet zwei Fehler passierten, nämlich dass das verkehrte Lebkuchen-Geschenkpaket mit dem verkehrten Absender verschickt wurde, und das auch noch ausgerechnet bei Christian, der eigentlich gar nicht ohne seinen Opa konnte …

Well weet. Well weet.

Wer weiß. Wer weiß.

[veröffentlicht im Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2015]

Anmerkung: diese Erzählung beruht auf einer wahren Begebenheit. Ingrid Kröner war 2014 Leiterin des Schriewerkrings in Münster und erzählte von diesem Vorfall in ihrer Familie.